Die Midlife-Boomer
ihrem Leben immer wieder Verantwortung übernommen hätten – in der Familie, in Unternehmen und auch im Ehrenamt.
So ließe sich für ihn auch der Pflegeproblematik in den späteren Jahren der Hochaltrigkeit ab 85 begegnen: »Wenn innerhalb von tausend Schritten für jeden eine gut erreichbare Tagespflege wäre, würde das auf einen Schlag eine sehr hohe Sicherheit im Altersprozess schaffen«, sagt er.
Überzeugend findet der Berliner Architekt auch die Ansätze in einigen Städten und Kommunen, Einrichtungen für Kinder und Senioren in enger räumlicher Nähe oder sogar zusammen zu bauen: »Kleine Kinder und Ältere harmonieren sehr gut zusammen und bereichern sich gegenseitig.« Und schließlich geht es dem Vordenker auch um das, was er die »Körnigkeit der Stadt« nennt: Wollen wir weiter Hochhäuser bauen oder lieber in die Ebene gehen? Wäre es nicht besser, geschützte Räume zu entwerfen, die Ältere angenehm durchwandern können und so von einem Haus ins nächste kommen? Was bedeuten diese Konzepte für die Stadt der Zukunft, für die Beleuchtungs- und Sicherheitssysteme und nicht zuletzt für die Mobilitätsanforderungen?
Feddersen schaut sich gern in der Schweiz um, wenn er nach zukunftsweisenden Wohnkonzepten für das Alter sucht. Dort gibt es spezielle Wohnungen für Ältere mit Notruf- und Sicherheitssystemen in unmittelbarer Nähe von zentralen Einkaufs- und Kulturzentren. So kann jeder das nutzen, was er braucht, und möglichst lange eigenständig wohnen.
Noch gibt es nur wenige Städte in Deutschland, deren Demografiekonzepte so weit gehen, sich auch über ein aktives Quartiersmanagement Gedanken zu machen. Meist beschäftigen sich die Kommunen damit, wie sie mit dem Rückgang der Einwohnerzahl umgehen sollen. Und es gibt immer mehr, die hierfür sehr interessante Konzepte gefunden haben.
Kapitel 9:
Städte im Wandel – Wie sich Kommunen auf den demografischen Wandel einstellen
Es war im Jahr 1995, als die Stadt Arnsberg allen über 50-jährigen Bürgern eine Postkarte schrieb. »Wie wollen Sie im Alter leben?« stand darauf. Die Aktion war ein Skandal – und ein voller Erfolg. »Viele haben sich unglaublich aufgeregt, was die Stadt das denn angehen würde«, erinnert sich Marita Gerwin von der Fachstelle Zukunft Alter in Arnsberg. Doch dann ging die erhoffte Diskussion los. Sagenhafte 48 Prozent der 28.000 Angeschriebenen reagierten und schickten ihre Wünsche. In Dutzenden von Veranstaltungen und Workshops diskutierten die Arnsberger über ihre Zukunft. Ganz bewusst wurden viele an untypischen Orten wie Kindergärten abgehalten. »Da saßen die Erwachsenen dann auf den Kinderstühlchen, während wir darüber geredet haben, dass durch den Bevölkerungsschwund ganze Stadtteile verschwinden«, sagt Gerwin, »das hat eine hohe persönliche Betroffenheit ausgelöst.«
Schnell wurde klar, dass die Verwaltung zwar wichtige Impulse setzen kann, doch die Bürger ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen müssen. So gründete die Stadt eine Zukunftsagentur und die Fachstelle Zukunft Alter als eine Art »Denk-Gremium« und siedelte sie bewusst als Stabsstelle beim Bürgermeister an. Hinzu kommt eine sogenannte »Engagementförderung«, die ebenfalls als Querschnittsgremium gedacht ist.
Aus den Diskussionen mit den Bürgern entwickelte sich die Zielsetzung, keinesfalls eine Altenpolitik zu machen, sondern die Aktivitäten auf einen Dialog der Generationen auszurichten. Heute helfen Senioren in den Kindergärten und spielen bei Theateraufführungen dort mit. Im Jugendzentrum wurde ein »Zirkus der Generationen« entwickelt, bei dem sogar demenziell Beeinträchtigte auf der Bühne Zaubertricks zeigen. Im Marionettentheater wurden Figuren gebaut, die man auch auf Rollstühle stellen kann. In den Kindergärten und den Büchereien gibt es jetzt auch Kinderliteratur, wo Alte nicht nur als stereotype Oma mit Dutt und Gemüsegarten, sondern als aktive Männer und Frauen mit unterschiedlichsten Interessen dargestellt werden.
Wohl in keinem Bereich wurde so früh auf die Folgen der demografischen Veränderungen hingewiesen wie bei Städten und Gemeinden. Und durch die dramatischen Wanderungsbewegungen in Deutschland nach dem Fall der Mauer erleben wir in Ostdeutschland seit zwei Jahrzehnten, was es wirklich bedeutet, wenn eine Stadt, Region oder ein Bundesland 10, 20 oder 30 Prozent seiner Bevölkerung verliert. Weil im Osten vor allem die Jungen abgewandert sind und weiterhin fortziehen, sind inzwischen
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