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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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den Ort, Cirurgicus, schließlich verbindet uns dasselbe Schicksal, denn beide haben wir den liebsten Menschen durch die Geißel verloren. Ich fürchte nur, Euch bleibt nicht mehr viel Zeit; schon übermorgen will ich mit meiner
Quattro Venti
nach Chioggia heimsegeln.«
    Der Magister, der die ganze Zeit aufmerksam zugehört hatte, ergriff nun das Wort: »Sagte Sîdi Moktar vorhin nicht, Chioggia liege bei Venedig? Wenn dem so ist, könnten die Gespräche auch auf Eurem Schiff stattfinden, denn die Lagunenstadt ist unser erklärtes Ziel, nicht wahr, Vitus?« Ohne die Entgegnung des Freundes abzuwarten, fuhr er fort: »Allerdings, es gibt da eine Schwierigkeit: Das Glück war uns auf unserer bisherigen Reise nicht immer hold, weshalb wir, nun ja, äh …« Er brach ab.
    Vitus ergänzte. »Um es frei heraus zu sagen, Signore: Wir haben kein Geld, die Überfahrt zu bezahlen. Aber vielleicht ist ja ohnehin für vier weitere Männer nicht genug Platz auf Eurem Schiff?«
    Montella kratzte sich am Kopf, wodurch sein Barett leicht verrutschte. »Platz wäre da schon, wenn es Euch nichts ausmachen würde, zu viert in einer Kabine zu schlafen. Ich fürchte nur, ich kann Euch nicht umsonst mitnehmen. Wir alle müssen sehen, wie wir zurechtkommen.«
    »Wui, wui, un von Windsuppe un Luftklöß kann keiner nich püffern, nich?«, fistelte der Zwerg verständnisvoll. Er wusste am besten, dass nur der Tod umsonst war. »Kann einer der Gacken uns denn ein pustchen Zaster sickern? Wollen gern dafür trafacken, nich, Vitus?«
    Montella zögerte. Sîdi Harun und Sîdi Moktar – Zufall oder Absicht – hatten nicht zugehört, sondern plauderten vielmehr angeregt mit den Verwandten des Brautvaters. Schließlich sagte Montella, sich ächzend vorbeugend: »Leihen will ich Euch nichts, Cirurgicus, aber ich wäre damit einverstanden, wenn Ihr mir einen Schuldschein über die Summe einer Vier-Personen-Passage von Oran nach Chioggia ausschreiben würdet. Die Summe müsste von Euch, sagen wir, innerhalb eines Jahres zurückgezahlt werden, mit entsprechender Verzinsung, versteht sich.«
    Vitus überlegte kurz. Dann hellte sich sein Gesicht auf. »Ein guter Vorschlag, Signore. So können wir es machen. Aber auch auf die Gefahr hin, dass ich uns selber schade: Was gibt Euch die Sicherheit, an Euer Geld zu kommen, wenn wir nicht in Chioggia bleiben, sondern weiter über Venedig nach Padua ziehen, so wie es unsere Absicht ist?«
    »Oh, in diesem Fall müsste einer Eurer Freunde bereit sein, als Sicherheit in meinem Hause zu bleiben. Sollte ein Jahr verstrichen sein und ich das Geld von Euch noch nicht haben, werde ich mich an ihm schadlos halten. Er wird die Summe dann abarbeiten.«
    »Ihr versteht es, Euch in jeder Hinsicht abzusichern, Signore.«
    Montella grinste flüchtig, bevor ein neuer Schweißausbruch ihn zum Tuch greifen ließ. »Ich wäre ein schlechter Kaufmann,
amico mio,
wenn ich es nicht täte. Glaubt jetzt nur nicht, wir Italiener wären weniger gastlich als die Araber, aber Freundschaft ist Freundschaft und Geschäft ist Geschäft.«
    »Natürlich, Signore. Ich bin Euch außerordentlich dankbar für Euer Entgegenkommen. Wir machen es genau so, wie Ihr vorgeschlagen habt …«
    Er unterbrach sich, denn Alb hatte irgendetwas gegurgelt.
    »Die Frage ist nur, wer von uns als Sicherheit bei Euch bleibt«, beendete er seinen Satz.
    Wieder gurgelte Alb etwas und gestikulierte dabei heftig mit den Händen.
    »Was ist denn Alb?«
    Nur langsam kam Vitus und den Freunden die Erkenntnis: Der Stumme bot sich als Unterpfand an.

[home]
    Der Vasen- und Weinhändler Montella
    »Gute Kunde, Freunde!
Ich habe die Pantoffeln an den Mann gebracht,
allesamt, bis auf ein Dutzend Stück!
Lasst euch umarmen!«
    An Bord der Quattro Venti,
19. August, Tag des Monats A. D. 1579
    Ich, Vitus von Campodios, habe mich entschlossen, alles Wissenswerte über die Pestilenz aufzuschreiben. Ich will dabei keinen Unterschied machen zwischen Dingen, die ernst zu nehmen sind, und solchen, die augenscheinlich dem Reich der Fabeln angehören. Alles ist zunächst wichtig, denn auch im Unsinn steckt häufig genug ein Sinn. Ich will dies tun, weil ich es meiner geliebten verstorbenen Braut Arlette geschworen habe, aber auch, weil meines Wissens noch niemals zuvor ein Arzt alle Erkenntnisse über die Gottesgeißel gesammelt hat. Giancarlo Montella, ein Händler aus Chioggia, der mit Murano-Vasen und Wein sein Geld verdient, hat ein ähnliches Schicksal erfahren wie ich und

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