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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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befreit und unterdrückte einen Jubelschrei.
    Dann küsste er sie.
     
    »Wui, wui!«, krähte der Zwerg über das wieder einsetzende Freudengeschrei hinweg. »Der Rotmann schnäbelt sein Täubchen, so isses recht, so isses recht! Is aber auch’n knäbbiges Pupperl, ja, das isses!« Er saß hoch oben auf Albs Schultern und ließ sich nicht das Geringste entgehen. »Jetzt stochen sie zum Federquäler, alle beid’, un der Rotmann unterschreibt’n Pergomang!«
    Danach sah man, wie Kamar in den Falten seiner Dschellaba nestelte und eine Goldmünze hervorzog, denn wie alles auf der Welt, so war auch die Leistung des Stadtbeamten nicht umsonst. Das Freudengeschrei ging in ohrenbetäubenden Jubel über. Die Menge wusste, der offizielle Teil der Hochzeit war vorbei, endlich konnte das Fest beginnen. Musik setzte wieder ein, und übergangslos wurde aufs Neue getanzt.
    Am Rande des Platzes machten sich mehrere Männer zu schaffen. Mit einiger Mühe zerrten sie einen Hammel herbei, ein großes stattliches Tier, das schon zu ahnen schien, was gleich mit ihm geschehen sollte. Zwei von ihnen warfen es ächzend auf den Rücken, um es zu schlachten. Der Hammel protestierte blökend, konnte aber nichts gegen den eisernen Griff seiner Bezwinger ausrichten. Einer hielt ihn bei den Vorderbeinen gepackt, der andere bei den Hinterbeinen. Ein dritter Mann nahte, ein Messer in der Hand, das er ausgiebig und fachmännisch wetzte. Er kniete neben dem Kopf des Tieres nieder und trieb mit einer schnellen, sicheren Bewegung die Klinge in den Hals, dann vollführte er einen kurzen Schnitt, gerade so lang, dass er mit Hand und Arm in die Öffnung fahren konnte. Er tastete. Einen Augenblick später hatte er die Herzschlagader gefunden und drückte sie zu. Der Hammel verendete röchelnd. Die Umstehenden klatschten Beifall. Wie nahe lagen bei einem Fest doch Freude und Tod beieinander!
    Die Menschen verließen den Schlachtort und drängten zurück zu den Garküchen und den Feuern, wo sich bereits andere Hammel am Spieß drehten. Wer es nicht ganz so deftig mochte, strebte zu den großen runden Tabletts, auf denen alle Köstlichkeiten des Morgenlandes ruhten: mit Feigen und Ingwer gefüllte Küken, geröstete Wildpasteten vom Fleisch des Mufflons, der Antilope und der Gazelle, gepfefferte Rosinenbällchen mit Mandelsplittern und Kurkuma, Hühnchenbrust in Weinblättern, Filetstreifen vom Lamm auf einem Rosmarinbett, mit Safran und Harissa eingefärbter Reis, Scharfgebratenes in weißer Knoblauchsoße, gewürztes Obst und vieles, vieles mehr.
    Und während die Menschen schmausten, lobten sie die Schönheit der Braut über die Maßen. Ein zahnloser Alter, der sich an weich gekochten Wachteleiern gütlich tat, schrie: »Die Budûr, ja, das ist ein Weib! Die würde mir endlich Kinder gebären, stattliche Söhne, stattliche Söhne! Bisher waren alle meine Frauen zwischen den Beinen trocken wie Staub.«
    Ein anderer antwortete: »Hoho, Omar, du hast’s doch schon bei dreißig versucht! He, Leute, hört mal her: Omar hat seinen Samen schon in dreißig Frauen gesenkt, immer vergebens!«
    Ein Dritter lachte: »Omar, Omar, jeder weiß, dass es an dir liegt, nur du nicht!«
    Enano, noch immer hoch oben auf Albs Schultern, krähte: »Knäbbig, knäbbig, dreißig Schicksen un keine Kindlein!« Er hielt ein Hühnerbein im Händchen, das er im Takt der Musik schwenkte.
    Der Magister grinste. »Ein schlechter Acker ist unfruchtbar.
Ager spurcus sterilis est.
Aber auch der beste Acker nützt nichts, wenn die Saat nichts taugt.«
    Alb lachte gurgelnd und steckte sich mehrere Fleischbällchen auf einmal in den Mund. Auch die anderen Freunde bedienten sich von den verführerisch duftenden Tabletts. Allerdings, so köstlich die Speisen auch waren, so heftig war das Gedränge um sie herum. Es schien, als habe ganz Oran seit Tagen nichts gegessen.
    Vitus verschluckte sich fast an einer Gemüseschote, nicht weil sie so scharf gewürzt war, sondern weil er zum wiederholten Male angerempelt wurde. Er sagte kauend: »Wenn ihr satt seid, Freunde, sollten wir das kleinere Festzelt besuchen, das Sîdi Harun für die Familien aufbauen ließ. Da wird es etwas gesitteter zugehen.«
    Wenig später schoben sie die Eingangsplane zurück und betraten das Zelt. Es war hell erleuchtet durch Dutzende von Öllampen. Dreißig oder vierzig Männer saßen auf kostbaren Teppichen, aßen kleine Happen oder sogen genüsslich an der Shisha. Die meisten Frauen hielten sich im Hintergrund, wo sie

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