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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Himmelsregen zu lesen gibt. Abgesehen vom Feuer, womit zweifellos Blitze gemeint sind, handelt es sich immer nur um Heuschrecken, bei Moses heißt es beispielsweise:
    Da sprach der Herr zu Moses:
    Recke deine Hand über Egyptenland,
    auf dass die Heuschrecken kommen,
    und fressen alles Kraut im Lande auf,
    samt alledem, das dem Hagel
    überblieben ist.
    Da reckte Moses seinen Stab.
    Und der Herr trieb einen Ostwind ins Land
    den ganzen Tag und die ganze Nacht;
    und des Morgens führte der Ostwind
    die Heuschrecken her.«
    Diese Bibelstelle ist natürlich auch mir bekannt, und, wie sich herausstellte, auch Montella, der einen großen Schluck Wein aus seinem Glaspokal nahm und erwiderte: »In Venedig und Chioggia hat es seit Menschengedenken kein Drachengewürm geregnet, mein lieber Magister, das weiß ich genau, und insofern habt Ihr sicher Recht, aber ist es deshalb undenkbar? Glaubt mir, es geschehen mehr Dinge zwischen Himmel und Hölle, als wir alle es uns vorzustellen vermögen.«
    Ich mischte mich ein und sagte: »Ursachen für die Pestilenz mag es viele geben, klar scheint aber zu sein, dass die Krankheit höchst kontagiös ist. So ist zu lesen, dass manche Leichenfledderer allein durch Aufsetzen eines gestohlenen Ringes von der Geißel erfasst wurden.«
    Montella stimmte dem zu und gab folgende Begebenheit zum Besten: Anno 76, als die Seuche in Venedig wütete, soll es drei Bettler gegeben haben, die des Nachts jämmerlich froren. Sie stahlen deshalb drei Leichendecken von Pesttoten, wickelten sich hinein und wünschten einander eine gute Nacht. Am nächsten Morgen fand man sie tot. Der schwarze Tod war so schnell über sie gekommen, dass sie nicht einmal mehr den wachen Zustand wiedererlangten.
    Bald darauf gingen wir alle zur Ruhe, doch jeder von uns mit einem unguten Gefühl.
    Würden wir am anderen Morgen aufwachen?
    24. Tag des Monats August A. D. 1579
    Die letzten drei Tage hat es der Wettergott nicht gut mit der Quattro Venti gemeint. Der kräftige Schauer war, wie sich zeigte, der Vorbote eines Sturmes, der uns gehörig durchrüttelte. Gottlob ist das Schiff von fester Bauart und die Mannschaft von guter Schulung. Mit Montella war es nicht immer möglich zu reden, da er zuweilen heftig unter der Seekrankheit litt, eine Pein, die gegenüber der Gottesgeißel fast ein Labsal zu nennen ist. Ich verabreichte ihm Stückchen vom Wurzelstock des Ingwerstrauchs, da diese Gabe von alters her am besten hilft, und fragte ihn, eingedenk der Worte von Doktor Chamoucha, ob ihm eine Heilwirkung des Ingwers gegen die Pest bekannt sei.
    Er verneinte erstaunt. Davon habe er im Leben noch nichts gehört. Aber ihm sei bekannt, dass eine Nachbarin, eine uralte Frau, der man das Überleben noch am Allerwenigsten zugetraut hätte, ihre Rettung nur der Tatsache zugeschrieben habe, dass sie ihr Morgenbrot stets in Zwiebelsud zu tauchen pflege. Eine Schrulle, an der mehr sein könne, als man zunächst glauben möge, schließlich gebe es auch ernst zu nehmende Ärzte, die als Therapeutikum ausgehöhlte Gemüsezwiebeln auf die Bubonen legen würden.
    Zwiebeln als Mittel gegen die Pest?, fragte ich mich. Konnte die Lösung so einfach sein? Gewiss, dass Kräuter, die dem Sternbild des Mars zugeordnet werden, das Wohlbefinden des Leibes fördern, überdies die Säfte ausgleichen und Mut und Willen und Lebenslust anregen, das alles war mir bekannt. Auch wusste ich, dass Mars-Kräuter vielfach Dornen haben wie Disteln und Brennnesseln und der Pfeffer. Aber Zwiebeln als Rettung gegen die Seuche? Da schien mir doch der Pfeffer noch wahrscheinlicher. Eben weil er das Schwitzen fördert und damit die Pestsäfte aus dem Körper bannt. Vielleicht. Vielleicht auch nicht …
    Als habe er es gehört, setzte Montalla seine Rede fort: Ein alter Schmied am Ende seiner Straße, so sagte er, sei nur deshalb dem schwarzen Tod von der Schippe gesprungen, weil er täglich eine scharfe Pfeffersuppe zu sich genommen habe.
    Ich widersprach Montella nicht. Wozu auch? Ich wusste es keinesfalls besser als er. Dann fiel mir noch ein, dass Ingwer ähnlich schweißtreibend wirkt. Schweißtreibende Kräuter – ein erster Ansatz gegen die Geißel?
    26. Tag des Monats August, A. D. 1579
    Der Gedanke an schweißtreibende Kräuter als ein Mittel gegen die Pest ließ mich nicht los. Es gibt viele Pflanzen, die dafür sorgen, dass die Säfte den Körper verlassen, nicht nur Ingwer oder Pfeffer, auch geraspelter Meerrettich sorgt dafür, ebenso wie Campher oder

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