Die Mission des Wanderchirurgen
einen Leinensack um, schulterte ihn und verließ ohne ein weiteres Wort den Souk. Der Zwerg, nun wieder bekleidet, lief ihm hinterher und schloss sich ihm an.
Der Magister schritt tüchtig aus. Unvermittelt begann er zu lachen. »Mensch, Enano, die wollten uns doch tatsächlich über den Löffel barbieren! Aber das ist ihnen natürlich nicht gelungen. Sie können ja nicht ahnen, dass dein Buckel so gefühllos ist wie ein Stück Holz! Hast trotzdem aber tüchtig gegreint und gejammert. Es klang sehr echt.«
»Hi, hi, wui, wui«, kicherte der Wicht. »Keiner hat’s nich spitzgekriegt, keiner nich!«
Doch hier irrte der Zwerg Enano. Es gab sehr wohl einen Zuhörer, der das Spiel durchschaut hatte.
Und dieser Zuhörer war eine Zuhörerin.
»Nimm als Erstes den angeklebten Bart ab«, herrschte die Gebieterin Âmina Efsâneh ihre Dienerin Rabia an, »in meinem Schlafgemach dulde ich keine falschen Männer. Nur richtige, und auch die nur dann, wenn sie meinen Ansprüchen genügen. Und nun heraus mit der Sprache: Warum warst du so lange fort? Was hat dich aufgehalten? War er dieses Mal da? Konntest du ihm meine Nachricht überbringen?«
Rabia verbeugte sich tief – die beste Möglichkeit, nicht gleich antworten zu müssen. Und die einzige. Denn ihre Herrin war eine Frau, die gern und oft die Weidengerte sprechen ließ, wenn das Gesinde den Mund nicht schnell genug aufbekam. Auch heute hatte sie eine dabei, Rabia sah es genau, obwohl die Hand mit dem Schlaginstrument tief in einem Ärmel des kostbaren indigoblauen Seidengewandes verborgen war.
»Heraus mit der Sprache!« Âmina Efsâneh saß auf einem Diwan, der über und über mit prächtig bestickten Kissen bedeckt war, und bebte vor Ungeduld.
Ihre Dienerin beeilte sich zu erwidern: »Jener Geschichtenerzähler, der ›Magister‹ gerufen wird, hat heute länger als sonst gesprochen, Gebieterin, aber ich habe etwas Interessantes erfahren …«
»Du sollst den Bart abnehmen!«
Rabia gehorchte flink. Sie riss sich die künstliche Zier aus dem Gesicht, wobei sie sich bemühte, das Brennen auf ihren zarten Wangen nicht zu beachten. »Ich habe etwas Wichtiges herausgefunden …«
»Ob er da war, will ich wissen!« Die Hand mit der Gerte zuckte.
Die Dienerin wich zurück. Hastig stopfte sie den Bart in eine Tasche ihres Haiks, eines locker geschnittenen Überwurfs, den sie extra für ihre Mission umgelegt hatte, und ließ den Turban gleich hinterherfolgen. »Leider nein, Gebieterin, aber ich habe etwas über ihn herausbekommen: Er ist Arzt und dazu, wie der Magister beteuerte, ein sehr guter.«
»Ein Arzt? Was du nicht sagst.« Âmina Efsâneh zog die Wörter in die Länge. »Das ist überraschend. Ich dachte, er wäre ein Lord?«
»Ja, Gebieterin, das ist er auch. Er verbrachte, wie ich heute erfuhr, seine Kindheit in einem spanischen Kloster. Dort wurde er erzogen, und dort lernte er auch die Heilkünste auszuüben. Der Magister sagte, er habe erfolgreich einen Starstich durchgeführt.«
»Hm, hm.« In den Gesichtszügen der Gebieterin arbeitete es. Es war ein Antlitz, das mehr streng als schön wirkte, wofür in erster Linie die kalten Augen verantwortlich waren. Sie standen eng zusammen über einer langen Nase und zu schmalen Lippen. »Hm, hm, ein Starstecher muss noch lange kein guter Medikus sein. Verriet der Erzähler denn nun endlich den Namen des Mannes?«
»Bedauerlicherweise nein, Gebieterin.« Rabia wich vorsorglich einen halben Schritt zurück. »Das tat er nicht, obwohl ich ihn direkt danach gefragt habe. Er sagte, der junge Lord sei zur Zeit an einem anderen Ort, denn er wolle kein Aufhebens um seine Person machen. Dann beendete der Magister die Erzählung und bat um ein paar Münzen. Die Zuhörer warfen Geld in eine mit scharfen Bodenstacheln bewehrte Schüssel. Die Schüssel stand auf dem Buckel eines am Boden liegenden Zwergs. Auch von ihm habe ich dir schon berichtet, erinnerst du dich? Je mehr Münzen nun in den Behälter fielen, desto tiefer bohrten sich die Stacheln in die Haut. Der Erzähler versprach, in dem Moment, wo der Zwerg vor Schmerz aufschreien würde, dürfte derjenige, der die letzte Münze geworfen hatte, das gesamte Geld behalten. Da spendeten die Leute immer weiter in der Hoffnung, das Gewicht ihrer Münze würde den Ausschlag geben und dem Zwerg endlich einen Schrei entlocken.
Ich aber, o Gebieterin, warf nur einen kupfernen Maravedi in die Schüssel, nicht nur, weil ich mit deinem Geld sparsam umgehe, sondern auch,
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