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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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nach West und von West nach Ost, jahrein, jahraus, immer auf dem Pfad des Profits. Es gab auf der ganzen Welt wohl nur eines, was der reiche Chakir Efsâneh für sein Geld nicht kaufen konnte, und das war Jugend. Er zählte schon neunundsechzig Jahre und war trotz teuerster Aphrodisiaka nicht mehr in der Lage, bei seiner jungen Frau zu liegen. Âmina war seine Lieblingsfrau, denn seine drei anderen waren alt und welk, und nur zu gern hätte er wie in früheren Jahren mit ihr der Fleischeslust gefrönt, doch der Zahn der Zeit hatte ihn ausgetrocknet, und er konnte nicht mehr seinen Mann stehen.
    Sein Leibarzt hatte ihm lang und breit erklärt, woran das lag. Der Wind in des Kaufmanns Lenden, so seine Ausführungen, habe nur ein schwaches Feuer, so dass er wie laues Wasser nur wenig warm sei. Die beiden Behälter, Hoden genannt, die wie zwei Blasebälge sein sollten, um das Feuer anzufachen, seien durch jahrelange Überforderung ermüdet und es fehle ihnen an Kraft, den Stamm aufzurichten.
    Genützt hatten die klugen Worte nichts. Chakir Efsâneh kam sich vor wie ein Eunuch. Ihm war nichts anderes übrig geblieben, als fortan seinen Geschäften noch mehr Aufmerksamkeit zu widmen, was dazu führte, dass er noch reicher wurde – und seine Frau noch mehr vernachlässigte.
    Die Gebieterin streute Löschsand auf das Geschriebene, faltete den Bogen und reichte ihn ihrer Dienerin. »Das bringst du zu dem namenlosen blonden Lord. Jetzt gleich. Und übergib es nur ihm. Er wird dich vielleicht fragen, warum ich mich ausgerechnet an ihn wende, in diesem Fall stellst du dich dumm. Du bist nur die Überbringerin der Botschaft, mehr nicht. Warte auf Antwort und komme dann sofort zurück. Hast du alles verstanden?«
    Rabia verbeugte sich tief. Als sie sich wieder aufrichtete, traf sie ein scharfer Hieb an der Schulter.
    Sie hatte sich zu viel Zeit gelassen.
     
    »Mein lieber Doktor Chamoucha«, sagte der blonde Mann, »ich bin Euch wirklich sehr verbunden, dass Ihr noch einmal nach meinem Bein sehen wollt, aber ich versichere Euch, mit dem Bruch steht alles zum Besten. Bitte glaubt mir.«
    Der mit Doktor Chamoucha Angesprochene, ein hagerer älterer Araber mit eisgrauem Bart, nickte lächelnd. »Mit dem Glauben ist es so eine Sache, Herr Kollege. Wenn es um das Wort Allahs des Allwissenden geht, so ist dieses selbstverständlich nicht in Zweifel zu ziehen, handelt es sich dagegen um die Aussage eines Kranken, so ist Misstrauen geboten. Umso mehr, wenn der Kranke selber Arzt ist. Ärzte sind bekanntlich die schlechtesten Patienten.«
    Doktor Salih Chamoucha, so sein voller Name, setzte sich umständlich auf einen Hocker, darauf achtend, dass sein schneeweißer Burnus keine Falten schlug. »Habt Ihr heute schon Euer Lager verlassen und ein wenig das Laufen geübt?«
    »Das habe ich. Ebenso wie gestern, und es geht bereits überraschend gut. Ich versichere Euch, mit dem Bruch ist wirklich alles wieder …«
    »Macht mal ein paar Schritte, ich will sehen, ob Ihr nicht übertreibt.«
    Der blonde Mann erhob sich von seinem Lager und gehorchte. Sein Gang war etwas staksig, aber er schritt ohne Hilfe zu dem schmalen Fenster an der Rückseite des Raums, kehrte um, schnaufte vernehmlich und ging zu seinem Lager zurück. »Seht Ihr, ich habe nicht zu viel versprochen.«
    »Aber Ihr habt Schmerzen, lieber Vitus von Campodios, das sehe ich Euch an.« Der Blick des Arztes verweilte auf dem Gesicht des Kranken. Es war ein Antlitz, in dem kluge graue Augen den Mittelpunkt bildeten. Die Nase war gerade, der Mund ausdrucksstark. In der Mitte des Kinns saß ein Grübchen, das gewissermaßen den Abschlusspunkt unter den klaren Gesichtslinien darstellte.
    »Nicht der Rede wert.« Vitus setzte sich wieder.
    »Und wenn es so wäre, würde es mich nicht überraschen, ein Bruch des Schienbeins verursacht nun einmal mehr Pein als der eines Fingers. Legt das kranke Bein hoch. Ja, so ist es recht.« Der alte Arzt streifte Vitus’ Beinkleid hoch und untersuchte die Bruchstelle. Sie war gut verheilt und abgeschwollen. Seine schlanken, kundigen Hände glitten den Unterschenkel auf und ab. Dann begann er vorsichtig, den Fuß nach links und rechts zu drehen. Vitus zog scharf die Luft ein. Der Arzt untersuchte weiter. »Seht Ihr, es zwickt doch noch, nicht wahr? Nun ja, ansonsten scheint alles so zu sein, wie es sein sollte. Ein wenig Spannung sitzt noch im Gewebe, aber das ist normal. Vielleicht kann Euch jemand von Zeit zu Zeit massieren, das täte Euch gut.

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