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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Selbstvergessen hielt er ein kleines Klistier mit Schafsblase in der Hand, dessen Ende in Nellas Mündchen steckte. Die Kleine suckelte und sog zufrieden daran.
    Vitus staunte. »Das ist mein Klistier!«
    Der Magister blinzelte. »Donner und Doria, du Wicht, was gibst du der Kleinen da?«
    Enano hob den Kopf, doch ehe er antworten konnte, erklang draußen ein kräftiges Meckern.
    Die Freunde sahen sich an. Was hatte das zu bedeuten?
    Der Magister begriff als Erster. »Zwerg, du hast die Ziege gemolken und gibst die Milch jetzt der Kleinen, stimmt’s?«
    »Wui, wui. ’s schmerft ihr knäbbig, späh nur, wie sie trinkt!«
    »Das ist ja alles schön und gut.« Vitus, eine steile Falte auf der Stirn, trat einen Schritt auf den Winzling zu, der sich jedoch keineswegs stören ließ. »Aber würdest du mir freundlicherweise verraten, wie die Ziege in unseren Feuerring kommt? Sie steht doch wohl direkt hinter dem Zelt? Angepflockt, wie ich vermute? Wie oft habe ich gesagt: Der Ring ist unsere einzige Überlebensmöglichkeit! Nichts darf von außen hereinkommen, nichts ihn verlassen! Wie also hast du die Ziege hereingebracht?«
    »Pssst! Hall nich so laut, Vitus, mein Schäfchen kriegt’s Plärren sonst.«
    »Wie hast du die Ziege hereingebracht?« Vitus sprach jetzt leiser, aber sein Zorn war noch nicht verraucht.
    Allmählich merkte der Zwerg, wie ernst es seinem heilkundigen Freund war. Er fistelte: »Hab den Bartmann durch’n Loch im Feuerring gelotst, durch’n Loch. Der Nieselmann von oben hat’s Brändeln gelöscht. Da hab ich den Bartmann durchgelotst.« Er guckte treuherzig. »’s ging nich anders, bei meiner Seel, brauchte Eutersaft für Nella, sonst schwimmt sie ab, un du willst doch auch nich, dass sie kaputtgeht?«
    »Nein, natürlich nicht.« Vitus beruhigte sich. In gewisser Weise hatte der Zwerg ja Recht: Es war gut, die Ziege als Nahrungsquelle für die Kleine zu haben. Auf diese Weise waren sie eine große Sorge los. Doch sie hatten sich dafür ein anderes Problem eingehandelt: die Infektionsgefahr. »Hast du das Tier gründlich auf Ungeziefer untersucht?«
    Der Wicht senkte den Kopf. »Nee, hab ich nich. Hab den Bartmann an’n Hörnern genommen un bin durch’n Ring. Musste ja schnell gehen, nich?«
    »Du wusstest also, wenn ich dich erwische, würdest du damit nicht durchgekommen! Höre, Enano, vielleicht rettest du mit der Ziegenmilch das Leben der Kleinen, aber ich frage dich: Was zählt das schon, wenn wir alle von der Pest geschlagen werden!«
    »Wui, Vitus. Hast Recht. Musste es aber trotzdem tun. Kann mein Schäfchen nich verhungern lassen.«
    Vitus atmete tief durch. »Nun gut, jetzt ist sowieso nichts mehr daran zu ändern. Die Ziege bleibt. Der Allmächtige gebe, dass sie nicht verseucht ist. Schließlich stammt sie aus dem Bauernhaus, in dem die Pest grassierte. Hast du daran nicht gedacht, Zwerg?«
    »N … nee. ’s tut mir Leid.«
    »Und wie soll das Ganze weitergehen? Hast du wenigstens davon eine Vorstellung?«
    »Wui, ich un mein Schäfchen sin alleweil hier, un ich kümmer mich drum, un der Bartmann gibt Milch. Fertich.«
    Vitus blickte sich in dem Frauenzelt um. Einiges von Antonellas Habe war noch da: Tücher, Lappen, Waschzeug, ein Korb voller Bürsten und anderes mehr. Auch die Siebensachen des Zwergs lagen herum. Offenbar war er schon eingezogen. Am Ende der Lagerstatt stand eine Holzkiste, gefüllt mit Stroh und Vogelfedern – das Bettchen von Nella. »Aha. So einfach ist das also. Du kümmerst dich von Stund an nur noch um die Kleine, und alles andere machen wir.«
    »Wui, wui.« Die Äuglein des Winzlings leuchteten. Er war damit einverstanden.
    »Nun, ich sehe ein, dass sich jemand um die Kleine kümmern muss. Kinder in dem Alter brauchen Tag und Nacht besondere Zuwendung, und niemand könnte sie besser geben als du, Enano. Nur eines wirst du auch weiterhin tun: das Feuer regelmäßig kontrollieren und versorgen. Das ist meine Bedingung. Während du das machst, werden der Magister oder ich den Säuglingsdienst übernehmen.«
    »Wui, wui.« Der Zwerg nahm das Klistier aus Nellas Mündchen. Die Kleine, satt und zufrieden, war übergangslos eingeschlafen. »Is glatt, mach ich.«
    »Und noch eines: Bete zum ›grandigen Machöffel‹, wie du ihn zu nennen pflegst, dass du die Pest nicht eingeschleppt hast. Komm, Magister.«
    Vitus zog seinen Freund nach draußen.
    Vor dem Zelt schnappte der kleine Gelehrte erst einmal nach Luft. »Dem Zwerg hast du aber tüchtig Bescheid

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