Die Mission des Wanderchirurgen
schmecken, Cirurgicus. Ich muss sagen, die Kocherei hat mich auf andere Gedanken gebracht.«
»Das freut mich. Essen hält Leib und Seele zusammen, so sagt man doch, oder? Ich hätte dich viel früher bitten sollen, für uns am Kessel zu stehen.«
Fabio strahlte. »Miabella sagt auch immer, an mir ist ein Koch verloren gegangen. Morgen mache ich eine Soße von ausgelassenem Speck mit Schinkenwürfelchen. Du wirst sehen, die ist noch leckerer. Die Soße zusammen mit dem Fladenbrot, hm,
bellissimo!
Soll ich dir verraten, was ich für übermorgen vorgesehen habe?«
Vitus hätte es gerne gewusst, aber in diesem Augenblick erschien Guido auf der Bildfläche, den Geigenkasten eng an sich gedrückt. Grußlos setzte er sich zu den beiden anderen, holte seinen Löffel hervor und wollte ihn in die dampfende Schüssel tauchen. Doch dazu kam es nicht. Blitzschnell schoss die Pranke des Überlandfahrers vor, packte sein Handgelenk und hielt es eisern fest.
»Au! Was soll das?«
»Was das soll?« Fabios Stimme dröhnte. »Ach, nichts! Mich interessiert nur, ob der Herr heute schon Wachdienst gehabt hat? Nein? Oder ob der Herr heute schon Nellas Pflege übernommen hat? Nein? Oder ob der Herr heute schon gekocht hat? Nein? Nun, ich denke, wer keinen Handschlag tut, sondern den ganzen Tag nur auf der faulen Haut liegt, sollte auch nichts zu essen bekommen.«
»Lass mich los!«
»Gern, aber gnade dir Gott, du isst auch nur einen einzigen Bissen!«
»Ja, ja, schon gut. Ich will deine blöde Suppe ja gar nicht.« Guido hielt sich zurück. Aber man sah seinen Augen an, dass er hungrig war.
Vitus, der gleich zu Anfang dazwischengehen wollte, hatte es sich anders überlegt. Ein kleiner Funke nur, das war klar, würde einen neuen Streit entfachen. Aber genauso klar war, dass eine Lösung gefunden werden musste, Guido zum Arbeiten zu bewegen. Denn natürlich hatte Fabio Recht: Zum Leben in der Gemeinschaft musste jeder sein Scherflein beitragen. Vitus schwieg also und beobachtete lediglich, wie der Geigenbauer sich zurückzog.
Mit Guidos Verschwinden brach die gute Laune bei Fabio wieder durch. »Siehst du, Cirurgicus, man muss nur hart bleiben! Ich wette, der Bursche macht sich spätestens morgen wieder nützlich.«
Doch seine Voraussage sollte sich als falsch erweisen.
Vitus saß im Männerzelt neben dem Geigenbauer, der eigensinnig auf seine Geige starrte. »Höre, Guido, so kann es nicht weitergehen. Seit vier Tagen erhebst du dich nicht von deinem Lager, liegst nur herum und tust nichts. Ich kann Fabio gut verstehen, wenn er nicht will, dass du zu essen kriegst.«
»Die Taubenscheiße hat ein Stück Lack zerstört.«
»Ja, ich sehe es. Wenn wir erst in Piacenza sind, wird es dir ein Leichtes sein, das zu reparieren. Doch zurück zu deiner Untätigkeit: Ich möchte nicht, dass du von morgens bis abends und noch dazu die ganze Nacht nur auf der Bärenhaut liegst. Du ärgerst damit die anderen.«
»Die Taubenscheiße hat ein Stück Lack zerstört.«
»Ja, du sagtest es bereits. Höre, Guido, ich will Frieden haben in der Gruppe. Wenn wir uns gegenseitig die Köpfe einschlagen, nützt das keinem etwas. Also erhebe dich und besorge dir eine Arbeit. Irgendetwas ist immer zu tun. Anschließend kannst du dann auch mit uns essen.«
»Ihr Körper ist siebenfach gelackt.«
»Auch das ist mir bekannt. Warum willst du mir nicht antworten?«
»Meine Geige. Ihr schöner Kopf. Ihr wundervoller Körper … Es würde mir überhaupt nichts nützen, ihn in Piacenza reparieren zu wollen, weil die Zusammensetzung des Lacks ein Geheimnis der Familie Amati ist. Wenn überhaupt, müsste ich nach Cremona reisen und dort um ein Quantum bitten.«
»Dann tu das meinetwegen, sobald wir weiterziehen. Aber eines sage ich dir: Durch das Draufstarren wird dein geliebtes Stück auch nicht wieder heil.«
Guido schwieg trotzig.
Auch Vitus sagte nichts mehr. Gerade wollte er aufstehen, um wieder nach draußen zu gehen, da hatte er einen Einfall. Er blieb sitzen und dachte darüber nach. Und je mehr er nachdachte, desto besser gefiel ihm sein Gedanke. »Sag mal, Guido«, begann er, »erinnerst du dich daran, dass wir einmal gemeinsam feststellten, dass die Harmonie es sei, die Musik und Medizin verbindet? Wir sprachen von reinen Tönen und reinen Säften. Und wir sprachen auch davon, dass zum Bau eines Geigenkörpers vier verschiedene Holzarten vonnöten sind – ebenso, wie sich der menschliche Körper auf vier verschiedenen Säften aufbaut. Der
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