Die Mission des Wanderchirurgen
erblickten sie den Geigenbauer, der sich zu allem entschlossen vor Nella aufgebaut hatte, eine schwere Hacke in der erhobenen Hand. »Ach, ihr seid’s«, sagte er erleichtert.
»Wie strömt’s dir, mein Schäfchen?«, heulte der Zwerg, wieselte um Guido herum und riss Nella hoch. »Glatt? Knäbbig? Alles im Lot? Dank dir, oh, grandiger Machöffel!« Grenzenlos erleichtert und pausenlos auf die Kleine einredend, griff er zum Milchklistier.
»
Deo gratias,
dass die Kleine wohlauf ist!«, rief der Magister, und er sprach damit allen aus dem Herzen. Dann fügte er stirnrunzelnd hinzu: »Allerdings weiß ich nicht, ob das ständige Rotwelsch linguistisch angebracht ist, gerade bei heranwachsenden Säuglingen. Aber mich geht es ja nichts an. Schauen wir lieber wieder nach draußen. Ich glaube zwar nicht, dass die Barbaren noch einmal wiederkommen, aber wenn mein schwaches Augenlicht mich nicht getäuscht hat, liegen da noch ein oder zwei von den Halunken herum.«
Der kleine Gelehrte sollte Recht behalten. Zwei Männer lagen leblos neben dem Feuerring. Der Schein der Flammen beleuchtete nur schwach ihre Gesichter, doch reichte die Helligkeit aus, um zu erkennen, dass der eine Kerl mausetot war. Es war derjenige, den Vitus mit der Muskete getroffen hatte. Der andere bewegte sich noch. Er lag gekrümmt da und stöhnte schwach. Ein Forkenstich hatte ihn in den Bauch getroffen.
»Licht!«, befahl Vitus. »Ich muss den Mann untersuchen, vielleicht kann ich sein Leben retten.« Er rollte den Mann auf den Rücken und begann ihm die Kleider vom Leib zu zerren.
»Das sieht nicht gut aus.« Der Magister hatte zwei Laternen aus dem Männerzelt geholt und übergab sie Vitus.
Fabio knurrte: »Um den ist es nicht schade.
Bandito! Briccone! Brigante!
Lass ihn verrecken, Cirurgicus!«
»Nein, er hat Schmerzen.«
»Na und?«
»Er hat Schmerzen, und ich habe das Mittel dagegen.«
Der Magister fragte: »Kannst du ihn nicht operieren?«
»Ich fürchte, dafür ist es zu spät. Außerdem sind Eingriffe im Bauchraum immer ein Spiel auf Leben und Tod, wobei der Tod fast immer gewinnt. Selbst wenn der Verletzte überlebt, so stirbt er ein paar Tage später an Wundbrand. Geh noch mal und bring mir den kleinen Albarello, du weißt schon, den mit der grünen Mixtur.«
»Mach ich, mach ich.«
Während der Gelehrte fort war, versuchte Vitus eine Unterhaltung in Gang zu bringen. »Wie heißt du?«, fragte er.
»La … Ladino.« Die Antwort war nur ein Hauch.
Vitus wollte weiterfragen, ob Ladino Blut im Mund spüre, denn dies wäre ein Indiz für weitere innere Verletzungen gewesen, doch dann entdeckte er die Feder. Es war eine Fasanenfeder, und sie steckte seitlich im Barett des Mannes. Eine solche Hutzier hatte er schon einmal gesehen, ebenfalls bei Räubern. Richtig, beim letzten Überfall war es gewesen, als die Angreifer aus dem Buschwerk gekommen waren!
Unwillkürlich wich er zurück. Die Burschen hatten die Pestis gehabt – in einem fortgeschrittenen Stadium. Dass die Kerle überhaupt noch kämpfen konnten, hatte fast an ein Wunder gegrenzt.
Ob Ladino auch von der Schlange Pest geschlagen war?
»Was starrst du den Mann so an? Ist er schon tot?« Der kleine Gelehrte war zurück, übergab den Albarello und dazu eine Kruke Wasser.
»Nein, ist er nicht. Ich habe eben nur einen Heidenschrecken bekommen.« Vitus rührte das Medikament in die Flüssigkeit ein.
»Wieso? Der Kerl ist ja wohl keine Bedrohung mehr?«
»Oh, doch, wenn er die Pestilenz hat.« Vitus wies auf die Fasanenfeder des Mannes. »Eine solche Feder haben wir schon einmal bei Räubern gesehen. Genauer: bei zwei toten Räubern. Es war beim letzten Überfall, als wir die Stelzen des Zwergs als Waffe benutzten.«
Der Magister pfiff durch die Zähne. »Alle Wetter, natürlich! Ich erinnere mich. Die Kerle hatten die Seuche. Und du meinst, es wäre dieselbe Bande, die uns hier … Allmächtiger!«
»Siehst du, jetzt bist du es, der den Heidenschrecken bekommen hat.« Vitus grinste flüchtig. »Aber ich kann dich beruhigen: Dieser Bursche wird an seinen Verletzungen sterben – und nicht an der Geißel. Er hat sie nämlich nicht.«
Der Magister blinzelte. »Er hat sie nicht? Das ist seltsam. Man sollte doch annehmen, dass die ganze Bande von damals sich gegenseitig angesteckt hat und in den Orkus gewandert ist. Stattdessen springen die Kerle quicklebendig hier herum und überfallen harmlose Zeitgenossen wie uns.«
»Vielleicht gehört die Fasanenfeder ja
Weitere Kostenlose Bücher