Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Brüste gewachsen sind.«
    Der Zwerg verzog sein Fischmündchen zu einem spitzbübischen Grinsen. »Was nich is, kann ja noch werden, nich?« Er nahm das leere Klistier und legte es weg. »Nella, war das moll? Wui, wui, nich? Killekillekille, nu komm zum Altlatz.«
    »Altlatz?«, fragte Vitus.
    »Heißt Papa.« Enano klang stolz. Er nahm die Kleine hoch und stützte dabei ihr Köpfchen ab. Dann schaukelte er sie sacht, bis sie ein Bäuerchen machte.
    »Böpp, böpp, war das ’n knäbbiger Aufstoß? Wui! Killekillekille. Böpp un gulp! Un gleich noch mal …«
    Vitus merkte, dass er hier nichts mehr verloren hatte, und schickte sich an zu gehen. »Dann mach mal weiter«, sagte er. »Aber vergiss draußen das Feuer nicht.«
    Er stapfte zurück zum Männerzelt, wo er im Schein einer Lampe an Girolamo schreiben wollte. Laute Stimmen und Geschrei ließen ihn aufhorchen. Der Lärm kam aus dem Zelt. Was war da los? Er beschleunigte seinen Schritt und betrat die Behausung. Was er sah, als seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, waren zwei Männer, die wie rasende Rachegöttinnen aufeinander losgingen, aufgeregt umflattert von einer weißen, Federn verlierenden Taube, die vergebens irgendwo zu landen versuchte, weil immer dann, wenn sie sich niederlassen wollte, aus dem Knäuel der Raufenden ein Arm oder Fuß auftauchte, der ihre Absicht zunichte machte.
    »Aufhören!«, brüllte Vitus, aber er hätte genauso gut den Mond anschreien können. Keiner der Kämpfenden, weder Guido noch Fabio, schenkte ihm auch nur die geringste Beachtung. Stattdessen hieben sie weiter aufeinander ein, als säße der Leibhaftige in ihnen.
    Der Geigenbauer schrie: »Du Schwein! Das sollst du mir büßen, du Schwein mit deiner Scheißtaube, dieser Ratte der Luft!« Er hing wie eine Klette an dem ungeschlachten Überlandfahrer und zielte mit seinen Fäusten in dessen Gesicht. Fabio versuchte, sich zu befreien, wollte den schäumenden Guido abstreifen wie ein zu enges Hemd, allein, es gelang ihm nicht. Ein Faustschlag traf ihn an der Nase, was seine Augen tränen ließ und ihn für den Bruchteil eines Augenblicks kampfunfähig machte.
    Vitus nutzte die winzige Pause und brüllte nochmals mit Stentorstimme: »Aufhören! Sofort aufhören!«
    Als wäre seine Aufforderung eine Anfeuerung gewesen, packte Fabio nun den verhassten Angreifer an der Gurgel, umschloss sie mit seinen riesigen Pranken und drückte zu. Guido zappelte wie ein Fisch auf dem Trockenen, spuckte, keilte, trat, doch was er auch versuchte, er kam nicht frei.
    »Aufhören!« Vitus war es leid. Irgendwie bekam er einen Arm des Riesen in die Finger, hielt ihn fest und schrie dem Koloss aus nächster Nähe ins Ohr: »Aufhören! Schluss, sage ich, mach Schlu …«
    Das letzte Wort konnte er nicht mehr brüllen, denn ein Fußtritt hatte ihn wie ein Riesenhammer getroffen und in die nächste Ecke geschleudert. Er rappelte sich auf. Auch in ihm loderte nun die Wut hoch. Die vergangenen Tage hatten ihn viel Kraft gekostet. Zu viel Kraft, als dass er hätte ruhig bleiben und den Überblick behalten können. Er hatte die Gruppe immer wieder von der Notwendigkeit der Quarantäne überzeugen müssen, er hatte Schrullen und Verrücktheiten der Gefährten ertragen und die Wachen neu einteilen müssen, er hatte mit der Sorge einer pestverseuchten Ziege leben müssen, und seine Kochkünste waren kritisiert worden … Jetzt war es genug.
    Mit einem Aufschrei stürzte er sich auf die beiden Kampfhähne und versuchte, Fabios Pranken von Guidos Hals zu zerren. Es gelang ihm nicht, vielmehr bekam er einen Hagel von Hieben und Tritten ab, schmerzhafte Blessuren, die ihn nicht gerade milder stimmten. Da schlug er seine Zähne in den Arm des Riesen und biss mit aller Kraft zu.
    »Oooooaaahh!« Fabio röhrte vor Schmerz wie ein Hirsch, doch er ließ los. Wer jetzt gedacht hätte, Guido wäre froh, endlich frei zu sein, und würde Frieden geben, sah sich getäuscht: Kaum dass er wieder atmen konnte, begann er den Riesen erneut unflätig zu beschimpfen, keifte, tobte und schäumte, wie es nur jemand tut, der nicht mehr bei Verstand ist.
    Endlich war es Vitus gelungen, sich zwischen die beiden Hitzköpfe zu schieben. »Aufhören!«, brüllte er zum soundsovielten Male, und wieder war es vergebens. Die Fäuste flogen weiter. Ein Hieb traf ihn schmerzhaft am Ohr.
    »Aufhören, Herrgott noch mal!« Abermals ging die Keilerei weiter, aber dann, dann standen alle drei Raufbolde plötzlich wie gelähmt

Weitere Kostenlose Bücher