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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Schatten vor ihm auf. »Halt! Wer da?«, rief er.
    »Ich bin’s«, fistelte es.
    »Ach so, du bist es, Zwerg. Was machst du hier mitten in der Nacht?«
    »Muss nach’m Brändeln spähn. Geht nich anders, sonst isses bald flach.« Der Wicht hatte große Holzscheite dabei, die er kunstvoll auf die Glut schichtete.
    Vitus beobachtete ihn. »Wie geht es der Kleinen?«, fragte er nach einer Weile.
    »’s geht ihr glatt, aber ich lass sie nich gern allein.«
    »Schläft sie denn nicht?«
    »Nee, non, no. Is gerade plärrig. Hat Frost im Magen, mein Schäfchen.«
    »Du meinst, Nella hat Hunger? Weißt du, was? Ich werde ihr zu trinken geben. Schließlich verstehe auch ich es, mit einer Klistierspritze umzugehen.«
    Froh über die Abwechslung im Wach-Einerlei ging Vitus zum Frauenzelt. Nella lag in ihrem Bettchen aus Stroh und Vogelfedern, schlug mit den Ärmchen um sich und schrie. Sie strengte sich dabei sehr an, und ihr zahnloses Mündchen war ein einziges Loch.
    »Ruhig, ruhig, meine Kleine, Onkel Vitus ist ja da. Er weiß, dass du hungrig bist. Wollen doch mal sehen, wo die Schafsblase mit dem Klistier steckt. Ah, da liegt sie schon. Ist sie auch voll? Ja, wunderbar.«
    Wieder plärrte Nella, aber diesmal klang es anders. Wie der schrille Schrei eines Mäuschens, nur zehnmal lauter. Und dann, jählings, wurde Vitus klar, dass nicht die Kleine im Zelt, sondern der Zwerg am Ring geschrien hatte. Mit drei Sätzen sprang er nach draußen in die Nacht, blickte sich um und erkannte im Widerschein des Ringfeuers dunkle Gestalten, die auf etwas, das am Boden lag, einschlugen. Auf Enano!
    Vitus’ Gedanken überschlugen sich. Er riss Fabios Horntute an die Lippen und blies mit aller Kraft hinein. Spätestens jetzt mussten die Gefährten wach geworden sein! Doch waren sie nicht die Einzigen, die sein Warnsignal gehört hatten, denn zwei der Angreifer kamen auf ihn zugelaufen, Messer und Knüppel schwingend. »Hilfe! Zu Hilfe! Überfall!«, schrie er aus Leibeskräften, machte die Muskete schussbereit und zielte auf den Erstbesten. Der Knall war auch diesmal ohrenbetäubend. Einer der Angreifer taumelte, griff sich an die Brust und fiel. Weitere Halunken kamen heran! Vitus packte den Dolch und ließ die Klinge warnend vor sich kreisen. Wo die anderen nur blieben? Er versetzte einem der Halunken einen Stoß, so dass dieser zurückwich. Da endlich kamen Fabio und der Magister! Sie hatten sich dreizinkige Forken vom Wagen geholt und gingen damit auf die Angreifer los. Die Kerle wichen zurück. Einer stöhnte auf und fluchte. Er war getroffen worden. Vitus lief zu der Stelle, wo die Bande auf den Zwerg eingeschlagen hatte. Wo lag der Wicht? Dort. Er rappelte sich gerade auf, ein langes Holzscheit in der Hand, mit dem er sich offenbar gewehrt hatte. Tapferer kleiner Kerl! »Bist du verletzt, Zwerg?«
    »Nee, ’s geht schon. Die verdammten Strohputzer!«
    »Los, da rüber!«
    Beide eilten Fabio und dem Magister zu Hilfe, die von vier Halunken umkreist wurden. Die Kerle hatten Respekt vor den zehn Fuß langen Forken mit ihren nadelspitzen Zinken, aber wie lange noch? Vitus stürzte auf einen zu und hieb ihm von hinten den Musketenlauf über den Kopf. Einem Zweiten stieß er den Kolben in die Seite. Auch der Zwerg teilte wacker aus: Er schlug einem Dritten mit dem Scheitholz auf die Knie. Der Mann brüllte und ging zu Boden. Fabio und der Magister hatten ihre Abwehrhaltung aufgegeben und waren zum Angriff übergegangen. Wild stießen sie mit ihren Forken um sich. Wer sich ihnen in den Weg stellte, gab alsbald Fersengeld. Auch die Kerle, mit denen es Vitus und der Zwerg zu tun gehabt hatten, flohen Hals über Kopf. Mit großen Sätzen sprangen sie aus dem Feuerring und verschwanden in der Dunkelheit. Der Spuk war vorbei.
    Vitus stand mit rasendem Puls da. »Diese Mordbande! Einen so heimtückisch zu überfallen.«
    Fabio keuchte: »
Sì.
Die Höllenbrut wollte die Schätze auf meinem Wagen!«
    »Diebespack! Wenn Morpheus’ Arme mich nicht immer so fest hielten, wäre ich früher wach geworden.«
    »Mein Schäfchen! Mein Schäfchen!«, fistelte der Zwerg dazwischen. »Muss zu meinem Schäfchen!« Er weinte fast vor Sorge um Nella, während er zum Frauenzelt eilte. Vitus, Fabio und der kleine Gelehrte liefen hinterher. Der Überlandfahrer rief: »Ich möchte mal wissen, wo Guido die ganze Zeit war! Hat sich wieder mal gedrückt, der Bursche, als es drauf ankam!«
    Doch das hatte er nicht.
    Als die drei Gefährten ins Zelt stürzten,

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