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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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unicos,
die mit ihren bunt bemalten, stabil gebauten Wohngefährten kurz vor Alesón im Nordspanischen standen, machten da keine Ausnahme.
    Sowie das Lied verklungen war, zog es Maja und Zerrutti in ihren Wagen, denn als Brautleute plagte sie die Sorge, sie könnten für die kommende Zeremonie nichts Rechtes anzuziehen haben. Sie konnten sich beruhigt entfernen, da Zerro weiterhin in der Obhut des Zwergs blieb.
    »Wui, ’s is’n scheiniger Abend! Knäbbig, knäbbig«, krähte der Winzling.
    »Ganz meine Meinung«, pflichtete der Magister bei. »So jung kommen wir nicht wieder zusammen.« Er blinzelte heftig, was Joaquin, den Glasschleifer, zu dem Ausruf veranlasste:
    »He, Magister, ich will einen Besen fressen, wenn das die Linsen sind, die ich dir seinerzeit auf die Nase gesetzt habe!«
    Der kleine Gelehrte grinste. »Diese Kost bleibt dir erspart. Ich habe mindestens schon drei oder vier Paare verschlissen. Eines schlechter als das andere. Besonders der letzte Glasschleifer in Genua hatte von seiner Profession so viel Ahnung wie die Kuh vom Fideln.«
    Joaquin lachte. Er rückte näher, nahm dem Magister das Nasengestell ab und begutachtete die Berylle beim Schein des Feuers. »Keine gute Arbeit, in der Tat«, sagte er dann. »Gleich morgen früh verpasse ich dir neue Linsen.«
    »Danke, mein Freund, dich hat der Himmel geschickt! Es scheint so, als würde morgen eine Menge passieren, lauter erfreuliche Dinge.«
    »Auf die wir heute schon anstoßen können«, lachte der Glasschleifer. Er schob die Greifbacken, die ihm die Rechte ersetzten, über den Henkel einer Weinkanne, schraubte sie zu und war somit in der Lage, das Gefäß anzuheben und daraus einzuschenken. »Gib deinen Becher, Magister, und ihr anderen auch!«
    »Salud! Cheers! Lecháim! Salute!«
    Alle tranken und seufzten, denn so gut hatten sie es lange nicht gehabt. Und als sie darüber hinaus erfuhren, dass dieser besondere Tag auch der Geburtstag des Cirurgicus war, tranken sie gleich noch einmal.
    Nachdem Vitus von allen Seiten Glückwünsche entgegengenommen hatte, versuchte er das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, indem er Antonio und Lupo ansprach: »Erzählt mir, wie es zu Hause steht. Ist euer Vater wohlauf? Was macht die Mutter?«
    Antonio antwortete für beide: »Es ist schon über ein Jahr her, dass wir die Eltern sahen. Mutter kränkelte seinerzeit etwas, aber sie sagte, wir sollten uns nicht sorgen und ruhig wieder von dannen ziehen. Vater war es zunächst nicht recht, du kennst ihn ja, schließlich aber gab er nach, denn jedes Mal, wenn wir nach Hause kommen, bringen wir ein paar hübsche goldene Reales mit.«
    »Euer Vater ist eben ein Mann mit Grundsätzen. Die Söhne eines Bauern gehören auf den Hof, das ist seine Meinung. Ihr könnt froh sein, dass er euch anno sechsundsiebzig überhaupt ziehen ließ. Ana, eurer Mutter, habt ihr es zu verdanken. Und natürlich Zerrutti, der euch für seine Zaubereien brauchte.«
    Der Magister, der sich von Joaquin noch einmal nachschenken ließ, sprach dazwischen: »Wie alt seid ihr junges Gemüse heute eigentlich? Schon zwanzig? Meiner Treu! An der Jugend erkennt man das nahende Grab.«
    »Und wie geht es euren Geschwistern?«, fragte Vitus weiter. »Hat Gago sich gut entwickelt?« Gago war der Jüngste in dem mit Kindern gesegneten Haus. Er hatte vor vier Jahren unter einer Hasenscharte gelitten und aus diesem Grunde heftig gestottert. Vitus hatte ihn mit Erfolg operiert.
    »Prächtig, prächtig, er ist fast zehn und hat mittlerweile die größte Klappe in der ganzen Gegend. Von Stottern keine Spur mehr.« Lupo ergänzte: »Auch Conchita, Blanca, Pedro, Maria und Manoela geht es gut. Nur von Nina haben wir lange nichts gehört. Sie studiert bei Pater Thomas in Campodios, und Vater ist mächtig stolz auf sie. Immer wenn in der Taverne die Rede auf sie kommt, sagt er zu den Leuten: ›Das hättet ihr nie gedacht, dass Carlos Orantes so ein blitzgescheites Töchterchen hat, was?‹ Dabei wird sie demnächst achtzehn und hasst es, wenn er sie ›Töchterchen‹ nennt.«
    »Achtzehn schon?« Vor Vitus’ geistigem Auge tauchte ein Mädchengesicht auf, dessen sanfte Schönheit ihn schon damals berührt hatte.
    »Ja«, übernahm Antonio wieder die Rede. »Sie fragt manchmal nach dir.«
    »Nach mir?« Vitus konnte sich keinen Grund dafür denken und wechselte das Thema. »Sagt mal, ihr zwei, hat irgendjemand etwas von Tirzah, dem Zigeunermädchen, gehört?«
    Die Zwillinge schüttelten den Kopf. »Die

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