Die Mission des Wanderchirurgen
später, als alle um das Dreibein herumsaßen und sich die Mahlzeit, die Maja aus Resten zubereitet hatte, schmecken ließen. »’n zuckriger Fratz! Fast so wie meine Nella.« Er hatte darauf bestanden, sich um beide Säuglinge zu kümmern, hockte nun mit ihnen im Kreis der Freunde und wiegte sie abwechselnd in seinen Kinderärmchen.
Maja lächelte geschmeichelt, und auch Zerruttis Vogelaugen glänzten stolz. Die zierliche blonde Frau erhob sich und schöpfte aus dem Kessel neue Suppe in die große Schüssel, aus der sich alle bedienten. »Pater, Ihr müsst mehr essen«, mahnte sie in ihrer schüchternen Art, »langt zu, damit Ihr bei Kräften bleibt und den langen Weg bis nach Santiago de Compostela schafft.«
Ernesto nickte lächelnd, und mit seinem Lächeln verdichtete sich das Faltengespinst um seine Augen. »Ich tue, was ich kann, meine Tochter.« Folgsam schöpfte er mit der Jakobsmuschel weitere Brühe in sich hinein.
Enano fistelte: »Ihr könnt mir’s holmen, ihr Wolkenschieber: Unser Himmelsmann is knäbbig zu Fuß, der walzt, bisser da is. Der Große Machöffel bensche ihn. Un er hat mein Schäfchen getäuft. Nich, Pater, so war’s doch?«
»Ja, mein Sohn, das habe ich.«
Maja spitzte die Ohren. »Sagtest du, der Pater hat deine kleine Nella getauft?«
»Wui, wui, ’s hat er!«
Der Gottesmann winkte ab. »Für einen Bruder in Christo, der die Priesterweihe bekommen hat, ist das nichts Besonderes. Wenn man’s genau nimmt, hätte jeder andere es auch machen können. Im Rahmen einer Nottaufe.«
»Ja, aber Ihr habt es gemacht, Pater.« Maja rührte die Suppe im Kessel um, was gar nicht nötig war. »Sagt, Pater …« Sie brach ab und rührte weiter. Schließlich fasste sie sich ein Herz, legte den Kochlöffel beiseite und fragte: »Würdet Ihr auch den kleinen Zerro taufen, Pater? Ich wünsche es mir so sehr. Ich glaube, Gott hat Euch geschickt, damit Ihr es tut.«
Ernesto wischte die Jakobsmuschel an seinem Ärmel sauber und steckte sie weg. »Ein Priester ist dazu da, die Sakramente zu erteilen«, sagte er. »Was ich tun kann, will ich gerne tun. Doch erlaube mir zuvor eine Frage, meine Tochter.«
»Ja, Pater?«
»Es ist eine Frage, die ich gleichermaßen an Meister Zerrutti richten muss: Habt ihr beide den heiligen Bund der Ehe geschlossen? Wenn nicht, so wurde Klein-Zerro in Sünde gezeugt.«
Maja und Zerrutti sahen einander betreten an. Schließlich antwortete der Magier, der des Spanischen bei weitem nicht so mächtig war wie seine Partnerin: »Wir nicht getraut, Pater, hat bis jetzt nicht sollen sein,
sì?
«
»Aha, nun ja.
Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie,
so sagt unser Herr im Evangelium des Johannes, und wie wollte ich als kleiner Priester euch da verteufeln. Aber warum geht ihr nicht gleich morgen in Alesón zur Kirche und erbittet dort den Segen für eure Lebensgemeinschaft?«
Zerrutti erhob die kleinen, gepflegten Hände. »Ist Problem, Pater,
sì?
Wir Gaukler, Künstler, Spielleute, und Kirche sagt, wir halbe Ketzer. Wir versucht, trauen, aber keiner Pater wollte bisher, jagen uns davon,
sì?
«
Ernesto fiel darauf nichts ein. Doch er wusste, dass Zerrutti Recht hatte. Das fahrende Volk stand stets mit einem Bein im Kerker. Es galt der Kirche wegen seines freizügigen Lebens als verwerflich und gehörte im Zweifelsfall an den Pranger – wenn nicht gar gleich in die Tiefen einer Folterkammer.
Der Zwerg krähte: »Wiewo? Is doch kein Problem, Himmelsmann, musst sie halt ringlern, bevor du Klein-Zerro täufst!«
»Was? Ich?« Pater Ernesto war verdutzt. Dann aber, bei näherer Überlegung, begann der Gedanke ihm zu gefallen. Es musste ein gottgefälliges Werk sein, zwei Menschen von der Last ihrer Sünde zu befreien. Warum sollte nicht er derjenige sein, der dafür sorgte. »Nun, meine Kinder«, sagte er, »ich denke, ich werde es machen. Gleich morgen früh. Anschließend will ich Zerro taufen, auf dass er unter der Liebe und der Fürsorge des Allmächtigen aufwachse.«
Bei seinen letzten Worten sprang Maja auf und küsste den Pater, ganz gegen ihre sonstige zurückhaltende Art, herzhaft auf beide Wangen. Auch Zerrutti zeigte unverhohlen seine Freude und schüttelte dem Gottesmann minutenlang die Hände.
Antonio und Lupo, die Zwillinge, stimmten ein altes Gauklerlied an, in das alsbald alle einfielen. Sie sangen aus voller Brust, denn eine bevorstehende Hochzeit ist überall auf der Welt ein freudiges Ereignis, und die
Artistas
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