Die Mission des Wanderchirurgen
müsste unten in Andalusien sein, und wo Bombastus Sanussus, der alte Quacksalber, sich aufhält, mag der Scheitan wissen.«
»Na, na!«, fuhr Pater Ernesto dazwischen, »nicht so derb, ihr Burschen.«
»Verzeihung, Pater«, gab Antonio sich zerknirscht. »Jedenfalls haben wir kein Sterbenswörtchen über den Verbleib des Kurpfuschers gehört. Nur einmal hieß es, in der Nähe von Bilbao arbeite ein Wundschneider, der Narrensteine entfernt. Da mussten wir an ihn denken.«
»Auch mir ist der Scharlatan in den vergangenen Jahren immer mal wieder in den Sinn gekommen«, sagte Vitus. »Es war damals gar nicht so leicht für mich, seine Stelle innerhalb der Truppe einzunehmen. Wenn Tirzah nicht gewesen wäre, hätte manches anders ausgesehen. Gottlob hat auch der Zwerg mir das eine oder andere Mal geholfen.«
»Der Zwerg?« Antonio und Lupo zogen fragend die Brauen hoch. Sie taten es gleichzeitig, wie alles in ihrem Leben. »Der war doch damals nicht bei uns?«
»Wui un
sí
, ihr Gacken, war nich dabei un doch dabei!«, fistelte Enano grienend.
»Du redest in Rätseln.«
»Wui, is’n Rätenisch, is’n Rätenisch, ihr habt drei Malige frei, oder lasst’s dabei, drei frei, drei frei – oder lasst’s dabei.«
Natürlich konnten die Zwillinge nicht erraten, was der Zwerg mit seiner seltsamen Bemerkung gemeint hatte, und Vitus löste schließlich das Rätsel. »Ihr müsst wissen«, sagte er, »dass Enano zum damaligen Zeitpunkt schon mit uns gewandert war, allerdings ohne sich uns zu zeigen. Die näheren Gründe mögen hier keine Rolle spielen. Seine Unsichtbarkeit hielt ihn aber nicht davon ab, mir einmal eine wichtige Arznei vor den Wohnwagen zu legen, und zwar mit dem Hinweis:
Für Vitus von Campodios. Von einem, der es gut meint.
Ein andermal waren es fünf Schröpfkugeln.«
»Schröpfkugeln? Waren das die, die Tirzah der Señora López auf den Rücken gesetzt hat?«
»Ja, genau die. Nun, jedenfalls war Enano die ganzen letzten Jahre stets an meiner Seite, ebenso wie der Magister.«
»Wui, so war’s.«
Joaquin drehte spielerisch an dem Gewinde seiner Greifbacken. »Ich glaube, ich bin der Einzige, Zwerg, der dich schon einmal gesehen hat. Jetzt weiß ich es wieder: In einem Wirtshaus war es. Es hieß
Casa de la Cruce
, stimmt’s? Allerdings hat es dir dort nicht sehr gefallen, denn du bezogst gehörig Senge, und wenn Vitus nicht gewesen wäre, würdest du vielleicht gar nicht mehr am Leben sein.«
Enano kräuselte sein Fischmündchen, während er unablässig die Säuglinge wiegte. »Wui un
sí
, ’s is ächtig, was du truschst, Linsenmann, mag aber wahrhaftich nich drüber brabbeln, ’s is zu lange her.«
Der Magister fiel ein: »Ja, das ist es wohl. Lassen wir die unliebsamen Erinnerungen, und wenden wir uns erfreulicheren Dingen zu. Joaquin, mein Freund, hältst du es für möglich, mir morgen früh noch vor der Trauung ein paar Linsen in mein Nasengestell zu applizieren? Wäre doch zu schade, wenn ich nur die Hälfte von Pater Ernestos Liturgie mitbekäme.«
»Kein Problem, Magister.« Joaquin ließ bereitwillig von seinem Thema ab, auch wenn er das Gefühl hatte, dass ein Geheimnis über der Vergangenheit des Zwergs lag. »Ich habe noch Berylle jeder Stärke, da werden zwei bestimmt passen.«
»Ich danke dir! Ich danke dir. Und nun, meine ich, ist es Zeit, dass wir haarklein erzählen, was uns alles widerfahren ist, ebenso wie Arturo uns berichten sollte, was die
Artistas unicos
in der Zwischenzeit erlebt haben. Ich denke, darauf sind wir gespannt wie ein Flitzbogen, besonders aber Pater Ernesto, der Geschichten über alles liebt.«
Der Gottesmann lächelte. »Zugegeben, die Neugier ist eine Schwäche von mir, meine Kinder, eine große Schwäche sogar. Doch ich werde nachher zur Sühne einen besonders langen, demutsvollen Rosenkranz beten.«
»Äh, ja, Pater.«
»Ein jeder ist eingeladen, daran teilzunehmen.«
Eine Meile vor Alesón,
Donnerstag, 10. Tag des Monats März, A. D. 1580
Diese Eintragung nehme ich in tiefer Dankbarkeit vor. Meine Gebete, der Pestis endgültig zu entkommen, sind erhört worden.
Vieles ist seit meinen letzten Aufzeichnungen geschehen, zu vieles, als dass ich alles hier niederschreiben könnte. Doch will ich festhalten, dass wir, aus Genua kommend, wohlbehalten in Barcelona gelandet sind und uns nun, nach einem langen Marsch, auf dem Jakobspfad befinden. Unser Ziel ist Campodios im Westen, wo sich endgültig herausstellen wird, ob ich von adliger Herkunft bin.
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