Die Mission des Wanderchirurgen
beiseite. »Du bist Arzt? Dann bist du … bist du’s wirklich? Großer Gott, hast du dich verändert! Vitus, nicht wahr?«
»Arturo! Ich hatte dich nicht gleich erkannt. Aber als ich dich fechten sah, wusste ich Bescheid.« Vitus wollte den alten Weggefährten an die Brust drücken, doch der hielt ihn davon ab.
»Warte, mein Freund, nicht hier oben. Die Darbietung muss weitergehen, bevor wir uns in die Arme fallen. Versorge meinen Gegner und nimm ihm das Geld ab, das er gegen uns verloren hat. Bis später.«
Kaum hatte er das gesagt, sprang Arturo mit einem eleganten Satz zur Mitte der Bühne und schrie: »Der Mann, den ihr eben gesehen habt, ist Arzt, Leute! Er wird sich um meinen Gegner kümmern. Verzeiht, dass alles so schnell ging und der Maulheld so glimpflich davongekommen ist, aber schließlich musste ich ihn am Leben lassen. Wie sollte er sonst seine Wettschulden bezahlen?«
Die Menge, die eigentlich mehr erwartet hatte, lachte versöhnlich.
»Ich sehe, ihr seid mir nicht gram. Das gibt mir die Hoffnung, dass ihr es auch nicht seid, wenn ich euch mein wahres Gesicht zeige!« Arturo riss sich den falschen Bart und die weißhaarige Perücke ab und stand nun da als derjenige, der er in Wirklichkeit war. »Gestattet, Freunde, Arturo ist mein Name!« Er verbeugte sich tief. »Ich bin der lebende Beweis dafür, dass man einen Gegner niemals unterschätzen darf.«
Wieder lachten die Zuschauer.
»Und ich bin der Wortführer der weltbekannten Gauklertruppe
Los artistas unicos
.« Abermals verbeugte er sich und setzte dann zu einer Ansprache an:
»Hochverehrtes Publikum! Männer, Frauen und Kinder! Ich habe die unschätzbare Ehre, euch ein Programm anzukündigen, wie ihr es noch niemals im Leben gesehen habt. Staunet, bebet und erschrecket! Lasset die Wunder unserer unglaublichen Darbietungen auf euch wirken! Freut euch auf einen Mann, dem es als Einzigem gelungen ist, die Schwerkraft vollendet zu besiegen! Begrüßt sodann den Körper ohne Knochen, Anacondus, den unvergleichlichen Schlangenmenschen! Applaudiert Zerrutti, dem Magier der Welt, und seinem einmaligen Assistenten Antonio! Weidet eure Augen an Maja, der blonden Schönheit, deren zarter Körper brutal durchsägt werden wird … Freut euch auf dieses und jenes und noch viel mehr. Doch zunächst auf den großen, den einmaligen Balancearo …!«
Arturo sprang federnd von der Bühne herunter, verschwand hinter einem hölzernen Wandschirm und kam nach wenigen Augenblicken wieder zurück. Er trug jetzt einen riesigen Schnauzbart, der nach jeder Seite eine halbe Elle lang ausgezwirbelt war, dazu auf dem Kopf einen hohen, feierlich anmutenden Hut, der ebenso vielfarbig war wie der lange, goldbestickte Rock, auf dem zahllose bunte Glassteine blitzten.
Neben ihm trat eine junge zierliche Frau auf, die eine Trommel vor den Leib geschnallt hatte. Während sie die ersten Wirbel schlug, nahm Arturo drei Bälle zur Hand und begann mit ihnen zu jonglieren. Er warf sie hoch und immer höher, drehte sich dabei um die eigene Achse, scherzte dazu, tat manchmal so, als verlöre er eine der Kugeln, verlor sie auch fast und fing sie doch immer wieder auf.
Die Trommel wurde lauter, die Wirbel schneller. Arturo hatte jetzt fünf Bälle, mit denen er arbeitete, dann sogar sieben. Mit jedem Ball, den er dazunahm, staunten die Zuschauer mehr. Kurz vor Ende seiner Nummer erschien wie zufällig ein kleiner Hund und setzte sich neben ihm nieder. Arturo warf den ersten der sieben Bälle zur Seite. »Terro, fass!«
Wie von einer Feder hochgeschnellt, sprang der Hund in die Luft und fing die Kugel mit dem Maul auf. Die zierliche Frau schlug dazu scheppernd zwei Becken gegeneinander. Mit der nächsten Kugel verfuhr Terro genauso. Schließlich lagen alle sieben Bälle in einer sauberen Reihe vor ihm.
»Brav, Terro!« Arturo applaudierte dem Hund und gab damit den Zuschauern das Signal, es ihm gleichzutun.
Als der Beifall verklungen war, hob er abermals die Stimme: »Hochverehrtes Publikum! Erlebt nun den Menschen ohne Knochen, den einmaligen, den sensationellen, den legendenumwobenen Anacondus!«
Die zierliche Frau ergriff einen Schellenreifen und schüttelte ihn kräftig.
Das Programm der
Artistas unicos
nahm seinen Lauf …
»Du bist jung«, sagte Vitus am Rande der Bühne zu dem Heißsporn, »da wachsen die Rippen noch leicht zusammen. Allerdings dürfte es mehrere Wochen dauern, bis du völlig wiederhergestellt bist.« Er überprüfte noch einmal den
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