Die Mission des Wanderchirurgen
Teufel ein Ohr absegelten und ihr in der Vergangenheit so manchen Batzen Gold in die persönliche Schatulle gespült hatten. Für solche Männer hatte sie eine Schwäche, schon immer gehabt …
Ihre Wahl war schließlich auf ein Kleid aus Silberbrokat gefallen, auf einen Traum, der durchsetzt war von Smaragden und Rubinen und bestickt mit Aberhunderten von Perlen. Selbstverständlich war das Gewand nach der neuesten französischen Mode geschnitten und sündhaft teuer gewesen – wie alle ihre Gewänder. Es bestand aus einem besonders langen, tief gezogenen Mieder, das in einen prächtigen Reifrock auslief. Der Ausschnitt wurde bedeckt von einer hohen Halskrause aus feinsten weißen Spitzen. Die Ärmel waren geschlitzt und mit rotem Taft gefüttert; der Gürtel war von demselben Material. In ihn waren weißseidene Schleifen hineingeknüpft, die bis auf den Boden herabhingen. Für ihr Haar schließlich hatte Elisabeth ein Perlendiadem ausgesucht, und ihre langen Locken waren ebenfalls mit Perlen geschmückt.
Wie sie da auf ihrem Thron saß, war sie eine wahrhaft königliche Erscheinung, und ihre Hofdamen und Ehrenjungfrauen fielen gegen sie ab, was durchaus beabsichtigt war. Die Damen, allesamt von edlem Geblüt, hatten wie stets schwarzen Samt angelegt, die Jungfrauen unschuldiges Weiß. Sonst befand sich niemand in der Halle, was aber nicht hieß, dass Elisabeth ohne Schutz gewesen wäre. Ihre Wachen befanden sich in einem Nebenraum, bereit, jederzeit einzugreifen.
Als die Tür sich nun öffnete, glättete sie noch rasch eine nicht vorhandene Falte auf ihrem Reifrock und blickte dem Ankömmling entgegen.
Ihr erster Eindruck war Befremden. Nicht so sehr wegen der staubigen Kleidung, die der Ankömmling trug, auch nicht wegen des mangelnden Sitzes derselben, sondern aus einem ganz anderen Grund. »Erhebt Euch, Cirurgicus«, sagte sie förmlich, nachdem Vitus zum dritten Mal das Knie gebeugt hatte. »Ich kann nicht umhin, festzustellen, dass Ihr seltsames Schuhwerk tragt. Niemals zuvor sah ich solch gelbe Pantoffeln.«
»Die … die Pantoffeln?« Mit allem hatte Vitus gerechnet, nur nicht damit, dass die Königin ihn auf seine Schuhe ansprechen würde. »Oh, ich bitte um Verzeihung. Sie sind abgetragen und unansehnlich, nicht gerade für das englische Wetter geschaffen.«
»Ja, an das Wetter werdet Ihr Euch wohl erst wieder gewöhnen müssen«, sagte Elisabeth und dachte an die vielen Regentage der vergangenen Wochen. Sie waren der Grund, warum sie Greenwich, wo sie sonst den Sommer zu verbringen pflegte, verlassen hatte und nach Whitehall zurückgekehrt war. »Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Reise?«
»Jawohl, Majestät. Als mich Euer Majestät Schreiben in Spanien erreichte, habe ich mich unverzüglich aufgemacht und bin so schnell wie möglich hergekommen.« Vitus versuchte ein Lächeln. »Der Anblick meiner Schuhe ist dabei ein wenig auf der Strecke geblieben.«
Ein Kichern belohnte ihn für den kleinen Scherz. Allerdings stammte es nicht von Elisabeth, sondern von einer der Ehrenjungfrauen, die nun, als ein strafender Blick ihrer Königin sie traf, erschreckt die Hand vor den Mund hielt.
Vitus sprach weiter: »Aber ich versichere Euch, Majestät, das Leder ist sehr durabel.«
Elisabeth fragte sich, wie man derart hässliches Schuhwerk überhaupt verteidigen konnte, beließ es aber dabei und meinte: »Ihr sagtet eben, die Pantoffeln seien nicht gerade für das englische Wetter geschaffen. Für welches Wetter dann, Cirurgicus?«
»Für das trockene Klima Nordafrikas, Majestät. Sie wurden in Fez gefertigt, einer Stadt am Rande der großen Wüste. Ein arabischer Handelsherr, Hadschi Moktar Bônali mit Namen, lässt solche Schuhe fabrizieren und veräußert sie gewinnbringend. Einige Hundert von ihnen reisten bereits auf dem Kamelrücken nach der Hafenstadt Oran und von dort über das Mittelländische Meer bis nach Chioggia bei Venedig.«
Elisabeth beschloss, das Thema zu wechseln. Die lächerlichen Schuhe waren nicht länger ihre Aufmerksamkeit wert. Außerdem lenkten sie von dem Gesicht ihres Besuchers ab. Es war ein markantes, sehr männliches Gesicht, mit wachen, klugen Augen darin, und es erinnerte sie an das von Robert Dudley in jungen Jahren. Wie lange waren die gemeinsamen Ausritte mit Robin jetzt her? Fünfzehn, zwanzig Jahre? Wenn er damals nicht in die Intrige um den Tod seiner Frau verwickelt worden wäre, hätte sie ihn wahrscheinlich geheiratet. Obwohl er seinerzeit nur
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