Die Mission des Wanderchirurgen
nunmehr beweisen, dass ein gewisser Warwick Throat Euer leiblicher Vater ist?«
Vitus biss die Zähne zusammen. Sollte das ganze Gezerre um sein Erbe denn niemals enden? Gab der verdammte Hornstaple denn noch immer nicht auf? »Nein, davon weiß ich nichts«, sagte er, um Haltung bemüht.
»Wie könntet Ihr auch.« Walsingham gönnte sich ein feines Lächeln. »Aber ich darf Euch verraten, dass es mittlerweile unerheblich ist, ob Throat als Euer Vater angesehen werden muss oder nicht, denn er ist tot. Letzte Woche verstorben, wie man mir berichtet hat. Damit dürfte sich dieser Punkt zu Eurem Vorteil geklärt haben.«
»Ich bin Euch sehr verbunden und danke Euch für die Information.«
»Keine Ursache.«
Vitus sann einen Augenblick nach. Dann sagte er: »Ich würde gern wissen, wo Warwick Throat begraben liegt.«
»Auf dem Kirchhof, in geweihter Erde. Es gibt da einen Reverend Pound, der auf mein Geheiß die letzten Gebete für ihn sprach.«
»Das habt Ihr veranlasst? Aber wieso denn?«
Walsingham begann wieder die Finger gegeneinander zu tippen. »Nehmen wir an, ich glaube, Throat ist tatsächlich Euer Vater.«
»Ist er es denn?«
»Warum sollte er es nicht sein?« Walsingham fand, dass der junge Collincourt ihn jetzt genug gefragt hatte. »Jedenfalls dachte ich, ein paar Worte des Trostes und der Erbauung aus priesterlichem Munde seien angemessen; und sicher war es auch im Sinne unserer Königin. Schließlich rollt adliges Blut in Euren Adern.«
Vitus horchte auf. »Heißt das, sämtliche Zweifel an meiner Herkunft sind endgültig ausgeräumt, Sir Francis?«
»Darauf antworte ich Euch nicht, denn ich will Ihrer Majestät nicht vorgreifen. In jedem Fall erwartet sie Euch direkt nach unserem Gespräch.«
»Jetzt?«
»Genau jetzt. Sir.«
Der Kammerdiener, dessen Umsicht und Zuverlässigkeit schon Heinrich VIII . geschätzt hatte, hieß Jonathan und war einundsiebzig Jahre alt. In seiner roten goldgestreiften Livree pflegte er gravitätisch schreitend seiner Arbeit nachzugehen, tagein, tagaus, mit immer denselben Handgriffen, dabei an das Aussehen eines Marabus erinnernd.
Jonathan war allseits geachtet und erfreute sich der besonderen Zuneigung seiner Königin. Vielleicht war das auch der Grund, warum er stets die Aufgabe übernehmen musste, unerfahrene Untertanen im rechten Auftreten zu unterweisen.
»Sir«, sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen zu Vitus, »mein Name ist Jonathan. Bevor Ihr den Audienzraum betretet, gestattet mir, Euch einige Hinweise zu geben.«
»Schießt los.« Vitus versuchte, sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen.
Doch so schnell ging es nicht. Wie bei allem, was er tat, ließ sich der alte Diener auch hier Zeit. Ein wenig nuschelnd, bedingt durch den Verlust fast sämtlicher Zähne, begann er schließlich: »Die Königin, Sir, ist eine exzellente Reiterin. Nicht zuletzt deshalb schätzt sie tadellose Körperhaltung. Tut also die ganze Zeit, als hättet Ihr einen Stock verschluckt, und bewegt Euch mit Anstand.«
Leicht amüsiert fragte Vitus: »Mit Anstand? Was heißt das?«
»Keine schnellen Bewegungen, kein Gescharre mit den Beinen, kein Kopfwackeln, Sir.«
»Das wird mir nicht schwer fallen.«
Vitus’ spöttischen Unterton überhörend, fuhr Jonathan fort. »Unterschätzt nicht, was Euch zum ersten Mal bevorsteht, Sir. Manch einer merkte plötzlich, dass er Hände hatte, und wusste nicht mehr, wohin mit ihnen. Aber ich will Euch nicht verunsichern. Ihr werdet schon den rechten Eindruck machen, wenn Ihr nur auf mich hört.«
»Danke, Jonathan.«
»Gebt Euch vor allem ruhig und natürlich. Vermeidet beim Eintreten den Blickkontakt mit der Königin.«
»Das will ich tun. Aber warum?«
»Warum?« Die Frage überraschte den alten Diener. Nie zuvor hatte jemand nach dem »Warum« des Hofzeremoniells gefragt. »Nun, nun, es ist einfach so, dass Ihr erst dann Ihrer Majestät ins Antlitz schauen dürft, nachdem sie Euch angesprochen hat.«
»Aha, nun gut.«
»Ihr geht also in den Raum, nachdem ich Euch die Tür geöffnet habe, vermeidet dabei, wie gesagt, den Blickkontakt, und tretet drei Schritte vor. Dann beugt Ihr tief das Knie. Genauso, wie ich es Euch jetzt vormache.« Mit sichtlicher Anstrengung und knackenden Knochen zeigte Jonathan den genauen Bewegungsablauf. Vitus tat es ihm mehrere Male nach, bis der Alte zufrieden war.
»Mit dem Beugen des Knies zieht Ihr Euer Barett, Sir, welches Ihr danach wieder aufsetzen dürft. Anschließend tretet Ihr
Weitere Kostenlose Bücher