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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Wahrscheinlich hast du sehr süßes Blut. Nun …« Er kicherte ölig. »Am Ende bist du gar ein Süßer?«
    Vitus riss sich zusammen. Er starrte geradeaus und konzentrierte sich auf einen Punkt über der linken Schulter seines fetten Gegenübers.
    »Ob du gern der Knabenliebe frönst, wird sich bald herausstellen – wenn ich dich nehme. Falls ich dich nehme. Doch zunächst lass mich dich weiter untersuchen. Ich kaufe nicht gern die Katze im Sack.« Sîdi Ma’rûfs Finger begannen geschäftig, die Menschenware zu studieren. Wie zuvor bei Alb landete er auch bei Vitus alsbald in der Leibesmitte, zog den Schurz beiseite und betrachtete das, was sich ihm darbot.
    »Natürlich, auch diese Wurst steckt in der Pelle. Widerlich! Immerhin, eine recht stattliche Wurst.« Er kicherte abermals und wollte das Skrotum untersuchen, doch dazu kam es nicht mehr.
    »Finger weg!«, brüllte Vitus, der nicht mehr an sich halten konnte. »Betaste mich nicht wie ein Schwein!«
    »Wa … waaaaas?« Der Fettwanst prallte zurück, als wäre er gegen eine Mauer gelaufen. Er brauchte mehrere Momente, um sich von der Unerhörtheit des Gesagten zu erholen. Dann brach es aus ihm heraus: »Was sagst du da, du ungläubiger Hund? Du Sohn einer Kebse! Du Abschaum Satans! Merke dir: Ich würde niemals ein Schwein anfassen, niemals! Geschweige denn etwas so Widerwärtiges wie Schweinefleisch, Blut oder Krepiertes essen!«
    Wieder erfolgte ein scharfer Knall. Vitus zuckte zusammen. Reda Alî hatte mit der Peitsche zugeschlagen.
    Diesmal mit aller Kraft.
     
    Âmina Efsâneh hatte das Geschehen auf dem Sklavenmarkt nur am Rande verfolgt. Sie befand sich in unmittelbarer Nähe der unglücklichen Freunde, doch diese konnten sie nicht sehen, denn sie saß in einer Sänfte, die von zwei kräftigen Hausdienern langsam an ihnen vorbeigetragen wurde. Aus dem Augenwinkel hatte sie den fetten Ma’rûf erkannt und beobachtet, wie er um die Sklaven herumstrich und sie lüstern begrapschte. Er war Kaufmann wie Chakir, ihr Gemahl, wenn auch lange nicht so erfolgreich.
    Gerade versuchte er, einem Blonden ins Gemächt zu fassen, der … doch halt! Das war doch … wie hatte sie ihn nur nicht gleich erkennen können! Das war der Lord, der keiner war. Der Mann, der sie im Bett so tödlich beleidigt hatte. Der es gewagt hatte, in ihren Armen den Namen einer anderen Frau zu rufen.
    »Halt!«, rief sie jetzt laut und musste erst einmal tief durchatmen. Die Flamme ihres Hasses, in den vergangenen Wochen schon fast erloschen, loderte wieder empor, als wäre alles erst gestern gewesen. Sie hatte gedacht, der Kerl sei auf einer Galeere, zusammen mit seinen Kumpanen, und nun stand er hier, wurde womöglich von dem dicken Ma’rûf gekauft und konnte fortan ein bequemes Leben in dessen Haus führen. Das musste verhindert werden! Ihre Hand schoss aus dem Fenster der Sänfte und packte Rabia, die neben ihr einhergeschritten war. Erschreckt durch den plötzlichen Griff, stieß die Dienerin einen leisen Schrei aus.
    »Sei still, dummes Ding! Da hinten, das ist doch der blonde Kerl, den du für mich auf die Galeeren verkauft hast, oder?«
    Rabia kniff die Augen zusammen, denn sie litt unter Kurzsichtigkeit, doch ein Zweifel war ausgeschlossen. »Ja, Herrin, er ist es. Der Cirurgicus vom Kloster Campodios. Und neben ihm steht der kleine Mann, der im Souk die Geschichten über ihn erzählt hat. Auch der seltsame Zwerg ist da. Die drei sind Freunde, wie ich dir berichtete.«
    »Und die anderen? Ich erkenne noch drei mehr.«
    »Ich weiß nicht, Herrin, sie scheinen aber zusammenzugehören, jedenfalls stehen sie dicht beieinander.«
    »Das sehe ich selbst. Und ich sehe auch Ma’rûf ibn Abram, diesen geilen, lüsternen, aufgeblasenen Dickwanst. Ich will nicht, dass er die Sklaven kauft und sie seinem Haushalt einverleibt. Sie hätten es da wie im Paradies: wenig Arbeit und gut zu essen – bei entsprechendem Entgegenkommen. Du weißt schon, was ich meine.«
    Die Gebieterin gab ihren Trägern ein Zeichen. »Ich will näher heran an den dicken Ma’rûf. Bringt mich hin.«
    Die Diener gehorchten, und wenige Augenblicke später konnte Âmina Efsâneh zu ihrem Vergnügen hautnah miterleben, wie Reda Alî den Blonden peitschte und der Fettwanst gleichzeitig auf ihn einschimpfte:
    »Du selbst bist ein Schwein! Bist so dreckig wie eines, bist so dreist wie eines, hast Haare so blond wie eines! Dich hat der Satan durch Berührung geschlagen! Allah, der Erbarmer, der Barmherzige, gebe,

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