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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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nicht. Er schüttelte mit verbissener Miene den Kopf.
    Das Wiesel wurde ärgerlich. Alles hatte sich so gut angelassen, und nun wurde der Bursche auf einmal bockig. Sîdi Ma’rûf war ein betuchter Herr, weshalb man ihn auch mit »Sîdi« anredete, und er schien wirklich interessiert zu sein. Reda Alî schrie erbost: »Los, bück dich schon, oder du schmeckst die Peitsche!«
    Alb blieb stur. Zu demütigend war für ihn die Analbeschau.
    Jetzt mischte Vitus sich ein, Zornesröte im Gesicht. Er hatte schon viel zu lange geschwiegen. »Lass den Mann in Frieden, Reda Alî, stell dir vor, du stündest selbst da. Nimm ihm nicht seine Ehre!«
    Der Magister stieß sogleich ins selbe Horn: »Schluss mit dieser würdelosen Prozedur, sage ich!«
    Ngongo blickte finster.
    Wessel rief: »Hör auf, so hör doch endlich auf!«
    Auch Enano öffnete empört sein Fischmündchen, doch er kam nicht dazu, es vorzustülpen und Worte zu formen, denn ein lauter Knall unterbrach ihn. Narbenauges Vertrauter hatte mit der Neunschwänzigen zugeschlagen. Nicht besonders fest, um seine Ware nicht zu beschädigen, aber doch so stark, dass rote Striemen auf Albs Rücken sichtbar wurden. Der Hieb war wohl dosiert und wies Reda Alî als einen Meister in der Kunst des Züchtigens aus.
    Die Neunschwänzige war das am meisten benutzte Instrument auf See, wenn es galt, einen unbotmäßigen Matrosen auszupeitschen. Sie bestand, wie der Name schon sagt, aus neun Schnüren, von denen jede am Ende einen Knoten aufwies. Der Delinquent war angehalten, sie vor seiner Bestrafung selbst herzustellen, damit er, wie es hieß, von vornherein ein besonders »inniges Verhältnis« zu ihr entwickeln konnte. Dazu musste er ein Seil in drei Schnüre aufspleißen und jede der Schnüre noch einmal in drei. Anschließend knüpfte er in die neun Enden einen kräftigen Knoten, damit es beim Auspeitschen auch gehörig zwickte.
    Alb stand noch immer aufrecht. Er hatte keine Angst vor der Peitsche. Er war sie gewöhnt. Normalerweise hatte er ein schlichtes Gemüt und nahm alles im Leben gottgewollt hin, aber wenn ihm etwas gegen den Strich ging, konnte er stur sein wie ein Maulesel.
    Das Wiesel wollte abermals zuschlagen, doch Sîdi Ma’rûf verhinderte es. »Lass gut sein, Reda Alî. Ich will annehmen, dass sein Loch nicht zu beanstanden ist. Vielleicht kaufe ich ihn. Allerdings bin ich mir noch nicht sicher, ob ein stummer Sklave nicht doch mehr Nachteile als Vorteile hat. Natürlich käme es auch auf den Preis an …«
    »Über den Preis werden wir uns sicher einig!«, warf das Wiesel hastig ein.
    »Ja, ja. Vielleicht.« Die Äuglein des Fettleibigen wanderten über die armselige Sklavenschar und blieben auf Vitus haften. Der blonde Bursche war zweifellos eine gute Erscheinung. Figürlich zwar nicht ganz so beeindruckend wie der Neger, aber Neger kamen nicht in Frage. Er hatte vor gar nicht langer Zeit noch drei besessen und nichts als Ärger mit ihnen gehabt. Es waren Haussa gewesen, aufsässige, kriegerische Burschen, von denen er sich trennen musste. Leider mit finanziellem Verlust. Nein, ein Schwarzer kam ihm nicht ins Haus.
    Dasselbe galt für den kleinen Mann, der ständig vor sich hinblinzelte. Was nützte der beste Sklave, wenn er nicht richtig sah! Dann war da noch ein weiterer Mann, ebenfalls weißhäutig und ebenfalls zu klein. Schlechtes Material. Zuletzt der Zwerg: Ihn zu kaufen wäre eine unverzeihliche Dummheit. Ein vorlauter, nutzloser Fresser war das, mehr nicht. Nein, wenn er es recht bedachte, kamen für einen Kauf nur der Stumme und der Blonde in Frage, nicht zuletzt, weil auch die weiteren feilgebotenen Sklaven einen minderwertigen Eindruck machten. Der Fettwanst schob sich auf Vitus zu und begann an ihm herumzutätscheln.
    In Vitus tobten widerstreitende Gefühle. Wie sollte er sich verhalten? Natürlich konnte er sich wehren und den Dicken fortstoßen, doch würde sicher sofort einer der Aufpasser dazwischengehen, wenn nicht gar die Peitsche Reda Alîs ihn daran hindern. Nein, das war sinnlos. Außerdem: Wenn er gute Miene zum bösen Spiel machte, war es durchaus möglich, dass der Dicke ihn erwarb und in sein Haus nahm. In diesem Fall durfte er darauf hoffen, irgendwann fliehen zu können, ja, vielleicht sogar seine Freunde aus der Sklaverei zu befreien. Er hielt still.
    »Du bist recht wohlproportioniert«, sagte Sîdi Ma’rûf, und es klang, als lobe er ein Bild, »wenn auch die Flöhe dich außergewöhnlich stark heimgesucht haben.

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