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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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meiner Freunde, sofort freigelassen zu werden. Wir haben diese Forderung schon wiederholt gestellt. Niemand hat sie beachtet. Vielleicht gibt es hier endlich jemanden, der uns Gerechtigkeit widerfahren lässt. Wir alle sind uns keiner Schuld bewusst.« Er blickte vielsagend zur Sänfte hinüber: »Auch jener Dame gegenüber nicht!«
    »Schweig, du räudiger Hund! Dass du es wagst …« Die Gebieterin schäumte vor Wut. Die Weidengerte schlug klatschend gegen den Rahmen. »Sieben Golddublonen!«
    »Für jeden?«, fragte Reda Alî, sich schon wieder tief verbeugend.
    »Meinetwegen!«
    Doch wenn die Gebieterin gedacht hatte, sie sei nun am Ziel, so hatte sie sich getäuscht. Sîdi Ma’rûf war auch noch da. Und er erhöhte das Gebot.
    So ging es eine Weile weiter, während die Wut und die Ungeduld von Âmina Efsâneh beständig zunahmen. Schließlich rief sie völlig außer sich: »Bei Allah, der alle Schacherer dieser Welt blenden möge, jetzt ist Schluss! Was willst du haben, Reda Alî?«
    Narbenauges Vertrauter glaubte sich verhört zu haben. Hatte ihn die reichste Frau der Stadt gerade gefragt, wie viel er haben wolle? Er jubelte innerlich. Das war die Gelegenheit seines Lebens, denn es bestand kein Zweifel, dass sie jeden Preis zahlen würde. Warum, das wusste nur Allah. Er holte tief Luft: »Das Vierfache des letzten Gebots, oh, Âmina Efsâneh.«
    »Was? Das Vierfache?«
    »Ja, nun ja.« Die Rückfrage der Gebieterin hatte so entrüstet und so fassungslos geklungen, dass Reda Alî für einen Augenblick unsicher wurde. Aber nur für einen Augenblick, dann sagte er: »Ich wäre schon damit einverstanden. Vorausgesetzt, Sîdi Ma’rûf bietet nicht noch ein wenig mehr.«
    Doch der Fettwanst schwieg. Er dachte nicht im Traum daran, höher zu gehen. Die Summe war bereits so hoch wie das, was er in einem ganzen Jahr verdiente.
    Die Gebieterin zog die Augenbrauen zusammen: »Sagtest du wirklich das Vierfache?«
    »Äh, ja, das tat ich.« Blitzschnell überlegte das Wiesel. In jedem Fall musste verhindert werden, dass die reiche Kaufmannsfrau sich eines anderen besann. Was konnte er tun? Mit dem Preis heruntergehen? Auf keinen Fall. Die Summe war so gewaltig, dass er bis an das Ende seiner Tage von ihr leben konnte – selbst wenn er den Hauptanteil an Narbenauge abgab. Da er den Preis nicht senken wollte, musste er ihr mehr Ware anbieten. Das war in allen Kaufverhandlungen so. Mehr Ware, das bedeutete … und dann hatte das Wiesel seine Erleuchtung:
    »Für diesen Betrag, oh, Âmina Efsâneh, wäre ich bereit, dir nicht nur die zwei, sondern vielleicht sogar alle sechs Sklaven zu überlassen. Bedenke nur, sechs Sklaven, ein prachtvoller Haufen, kerngesund von Kopf bis Fuß, sechs Kerle, stark wie Ochsen, und fähig, jede erdenkliche Arbeit zu verrichten!«
    »Ja, ja, ja. Schon gut.« Das Gesicht der Gebieterin wirkte abweisend. »Ich habe kein Interesse m …«
    Aber, oh Wunder, unverhofft hielt sie inne, und ihre Augenbrauen entspannten sich. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, das breiter und breiter wurde, doch wie immer war es nur ein Lächeln mit nichts mehr dahinter als Zähnen. »Ich denke, Reda Alî, ich kann dein Angebot doch annehmen. Schicke die Sklaven umgehend in mein Haus. Wegen der Bezahlung werde ich mit Sîdi Chakir, meinem Gemahl, sprechen. Es wird kein Problem sein.« Ein ungeduldiger Schlag mit der Weidengerte folgte und bewirkte, dass sich die Sänfte unverzüglich in Bewegung setzte.
    Sie ließ einen ebenso verblüfften wie überglücklichen Reda Alî zurück.
    Und einen Fettwanst, der froh war, um den Kauf herumgekommen zu sein.

[home]
    Die Dienerin Rabia
    »Der kleine Geschichtenerzähler ist ein guter Schachspieler,
mehr nicht. Ich habe dir schon einmal gesagt,
dass ich lieber mit dir heiße Minze trinke,
als mit ihm am Brett zu sitzen.
Das ist die Wahrheit.«
    Â mina Efsâneh hatte ihre Träger angewiesen, ein forsches Tempo vorzulegen. Offenbar wollte sie schnell nach Hause in ihren Stadtpalast. Rabia, ihre getreue Dienerin, musste sich gehörig sputen, um auf gleicher Höhe mit der Sänfte zu bleiben, und überdies darauf bedacht sein, nicht in die Reichweite der Weidengerte zu gelangen.
    Nach einer Weile, in der nicht ein Wort zwischen ihnen gefallen war, traute Rabia sich zu fragen: »Sag, Gebieterin, was willst du mit so vielen Sklaven?«
    Aus der Sänfte kam kein Laut.
    Rabia dachte schon, ihre Herrin wolle nicht mit ihr reden, da drang ein Lachen an ihr Ohr, lang gezogen und

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