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Die Mission des Wanderchirurgen

Die Mission des Wanderchirurgen

Titel: Die Mission des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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dieser Lache lag Mehmet Pascha, der Kommandant. Er war tot. Hakan war so erschrocken, dass er die Schatztruhe und die Schätze vergaß und nur noch den entseelten, ungeschlachten Mann anstarrte. Mehmet Pascha war erstochen worden, das sah sogar einer, dem Allah das Augenlicht genommen hatte. Der Dolch in seinem Hals war unmissverständlich. Genauso klar schien, dass er nicht sofort gestorben war, darauf wiesen Blutspuren hin, die ein paar Fuß entfernt begannen. Möglich auch, dass er heftig geröchelt hatte, entweder vor Schmerz oder vor Atemnot, jedenfalls stand sein Mund offen.
    All diese Gedanken schossen der ehemaligen Ordonnanz des Paschas durch den Kopf, und ob er wollte oder nicht, irgendwie tat der Kommandant Hakan Leid. Von dem gewaltigen, dem gefürchteten und dem selbstverliebten Mann war nur noch eine Masse Fleisch übrig.
    »Ich wünsche dir trotz allem, dass du in den Garten des Paradieses eingehen mögest«, murmelte er.
»Inschallah …«
    Dann kam ihm plötzlich eine Idee. Er nestelte in den Weiten von Mehmet Paschas Schalwar und fand mit einiger Mühe, was er suchte. Er nahm es und schob es dem Kommandanten tief in den Mund.
    Es war eine Feige.

[home]
    Der Fettwanst Ma’rûf ibn Abram
    »Du selbst bist ein Schwein! Bist so dreckig wie eines,
bist so dreist wie eines, hast Haare so blond wie eines!
Dich hat der Satan durch Berührung geschlagen!
Allah, der Erbarmer, der Barmherzige, gebe,
dass du eine Speise des Feuers wirst und jämmerlich
in den Flammen verreckst!«
    E s war die reine Bosheit, sie in die grelle Sonne gestellt zu haben. Seit nun gut zwei Stunden standen sie jetzt so, an Händen und Füßen gefesselt, und jedermann, der vorbeischlenderte und auch nur das geringste Interesse an ihnen bekundete, durfte ihre Körper einer eingehenden Prüfung unterziehen.
    Der Dienst als Ruderer war scheußlich und entwürdigend gewesen, die Zurschaustellung auf dem Sklavenmarkt war es nicht minder.
    Vitus knirschte mit den Zähnen. Sie durften nicht kleinmütig werden! Zu allem Übel begann auch noch das Bein wieder zu schmerzen. Er verlagerte sein Gewicht und sagte zum Magister: »Kopf hoch, du Unkraut, sie können uns nicht bis zum Jüngsten Gericht hier stehen lassen.«
    »Ja, ja, das ist wohl wahr«, brummte der kleine Gelehrte.
»›Aequam memento rebus in arduis servare mentem‹,
wie bereits Horaz richtig erkannte.«
    Enano fistelte: »Wiewo? Truschst schon wieder Lateng? Wer soll’s holmen?«
    »Bedenke stets, dir im Unglück deinen Gleichmut zu bewahren«, übersetzte der Magister. Und fügte hinzu: »Wenn’s auch schwer fällt, du Zwerg.«
    »Irgendwann jedenfalls«, sagte Vitus, »geht auch dieser Markt zu Ende.«
    Der kleine Gelehrte blinzelte. »Und wenn die Nacht dann hereinbricht und so heimelig wird wie die vergangene, lasse ich mich lieber kreuzigen.«
    In der Tat war die letzte Nacht alles andere als erfreulich verlaufen. Man hatte sie und die wenigen Leidensgefährten, die von Narbenauge nicht zum erneuten Ruderdienst verdammt worden waren, in einen Verschlag gesperrt, in dem es streng nach Eselskot und faulem Stroh stank. Aber das war nicht das Schlimmste gewesen, denn die Schleimhäute ihrer Nasen waren ohnehin abgestumpft. Schlimmer waren die Flöhe, die sich in der Finsternis zu Dutzenden auf sie gestürzt hatten. Zunächst war es ihnen überhaupt nicht aufgefallen, denn einen Flohbiss spürt man nicht, doch änderte sich das in den Morgenstunden. Da begann es sie zu jucken, überall, an zahllosen Stellen ihres Körpers. Bald waren die Torturen so unerträglich geworden, dass sie nicht mehr ein noch aus wussten. Schließlich hatten sie sich gegenseitig mit der flachen Hand auf die Bisse geschlagen. Immer wieder, mit aller Kraft. Der dadurch entstehende Schmerz war ihnen lieblich vorgekommen im Vergleich zu dem mörderischen Juckreiz.
    »Wui, wui«, fistelte der Zwerg. »’s war gar schindlig!« Dabei war es ihm nicht ganz so schlimm ergangen wie seinen Kameraden, denn er hatte nur wenige Bisse davongetragen, ebenso wie Wessel, der Böhme. Es schien so zu sein, als gäbe es auch unter Flöhen Feinschmecker, die das eine Blut bevorzugten und das andere verschmähten.
    Alb, der Stumme, litt mit am meisten. Nicht nur, dass er den Juckreiz ertragen musste, er konnte noch nicht einmal darüber klagen. Seine Äußerungen waren nur ein verzweifeltes Gurgeln.
    Eben gurgelte er wieder und schüttelte dabei heftig den Kopf. Der Grund dafür war jedoch kein erneuter Insektenbiss,

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