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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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es nicht, und Zuyler war nirgendwo zu sehen. Estelle de Vries trug ein schlichtes Kleid und einen Schal. Ihr Haar war zerzaust; eine Strähne fiel ihr über die Wange. Das Gesicht war blass und eingefallen, die Augen gerötet und geschwollen. Als sie die lose Strähne mit zitternder Hand zurückschob, bemerkte Spandrel, dass sich oberhalb ihres Wangenknochens ein gewaltiger blauer Fleck ausbreitete. In diesem Moment begegnete ihr Blick dem von Spandrel. Die Überraschung wich jäh Entsetzen. »Sie?«, murmelte sie starr vor Schreck. »Gütiger Himmel.«
    »Wo ist Zuyler?«, wiederholte McIlwraith.
    »Nicht...« Sie schüttelte den Kopf. »Nicht hier.«
    »Machen Sie die Tür zu, Jupe. Steckt der Schlüssel?«
    »Ja.«
    »Umdrehen. Wir brauchen eine Warnung, wenn Zuyler zurückkommt.«
    »Mr. Spandrel«, ächzte Mrs. de Vries mit unsicherer Stimme. »Wie... sind Sie... ?«
    »Der Falle entkommen, die Sie mir gestellt haben?« Spandrel hoffte, er würde wütender klingen, als er war. Sie verdiente doch wirklich jeden nur erdenklichen Vorwurf. Doch als er sie nun - so verzweifelt und nach allem Ermessen verlassen - antraf, konnte er sich eines Anflugs von Mitleid nicht erwehren. »Seit wann kümmert Sie das?«
    »Das hat er mir zu verdanken«, schaltete sich McIlwraith ein und sicherte die Pistole wieder. »Captain James McIlwraith, Madam. Sondergesandter des vom Unterhaus zur Untersuchung der South Sea Company eingesetzten Geheimen Untersuchungsausschusses.«
    »Des... was?«
    »Und das ist Jupe«, fuhr der Schotte fort. »Diener von Sir Theodore Janssen. Sie haben ihn vielleicht schon gesehen. Er ist Ihnen gefolgt. Wie auch wir.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Doch, das glaube ich schon. Wir wollen das Grüne Buch.«
    »Buch? Was für ein Buch?«
    »Kommen Sie schon, Madam. Sie und Ihr Liebhaber haben versucht, es der britischen Regierung zu verkaufen. Und jetzt sind Sie auf dem Weg nach Rom, um es am Hof des Prätendenten zu verhökern. Leugnen ist zwecklos.«
    »Zwecklos?« Sie sah McIlwraith an, dann Spandrel und schließlich wieder den Schotten.
    »Völlig.«
    »Und wen, sagten Sie, vertreten Sie?«
    »Den Geheimen Untersuchungsausschuss in der Angelegenheit South Sea Company.«
    »Sie meinen die Regierung?«
    »Nein, Madam, das Unterhaus. Sie sind doch Britin, um Himmels willen! Da müssen Sie den Unterschied kennen.«
    »Natürlich... Ich dachte nur...« Sie legte sich die Hand auf die Stirn und drückte beide Augen fest zu. Mit den Fingern wischte sie ein paar Tränen von den Lidern. »Darf ich mich setzen?«
    »Selbstverständlich.« Mit weit ausholender Geste zog McIlwraith den Stuhl für sie heran, und sie ließ sich darauf sinken. »Wo ist das Grüne Buch?«
    Zu Spandrels Verblüffung brach sie in Lachen aus. Als sie sich beruhigt hatte, zog sie unter dem Ärmel ein Taschentuch hervor und betupfte sich die Augen. »Verzeihen Sie mir. Das... ist ja fast lustig.«
    »Ich halte mir viel auf meinen Humor zugute«, brummte McIlwraith und legte eine schwere Hand auf die Stuhllehne, »aber hier muss ich zu meinem Bedauern zugeben, dass mir der Witz entgangen ist. Wo ist das Buch?«
    »Ich habe es nicht.«
    »Zuyler?«
    »Nein.«
    »Was ist dann daraus geworden?«
    »Es ist verschwunden.«
    »Wohin... genau?«
    »In den Fluss.«
    »Was?«
    »Ich habe es in den Fluss geworfen.«
    »Sie haben es vernichtet?«, schaltete sich Jupe ein.
    »Ja.« Sie nickte. »Ich persönlich.«
    »Das glauben wir Ihnen nicht!«, rief McIlwraith.
    »Ich kann es Ihnen nicht verdenken. Ich selbst kann es kaum glauben. Aber es ist die Wahrheit.«
    »Sie haben es in den Fluss geworfen?«
    »Ja. Ich bin auf die Brücke dort drüben gegangen« - sie deutete zum Fenster hinaus - »und habe das Buch über die Balustrade geschleudert. Danach habe ich ihm nachgesehen, wie es die Strömung davongetragen hat. Der Fluss führt Hochwasser. Es ist wie Treibholz herumgewirbelt, bis das Papier mit Wasser vollgesogen war und immer schwerer wurde. Dann ist es versunken. Oder auch nicht. Jedenfalls habe ich es in dem Wirbel aus den Augen verloren. Was genau, das ist ja auch egal. Tinte und Papier vertragen nun einmal kein Wasser. Ich gehe davon aus, dass jetzt irgendwo weiter stromabwärts ein durchweichter Klumpen am Ufer herumliegt. Aber was Sie und den Zweck Ihres Unternehmens betrifft: Das Buch ist weg.«
    Kurzes Schweigen breitete sich aus. Estelles Worte hatten derart aufrichtig geklungen, dass es den drei Männern für einen Moment die Sprache

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