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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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und aufgeworfen. Er und die Dielen um ihn herum starrten von verkrustetem Blut. Keine Bewegung, kein Anzeichen von Leben. Schlagartig begriff Spandrel: Beide Männer waren tot.
    »Mein Gott!«, ächzte Frau Siegwart und bekreuzigte sich.
    Spandrel wagte sich an ihr vorbei ins Zimmer und beugte sich über die Toten. Wie war das nur geschehen? Zuyler lag mit teilweise von einer Teppichfalte verborgenem Gesicht auf der Seite. Doch Spandrel konnte genug sehen, um zu erkennen, dass er qualvoll gestorben war. Seine Augen waren hervorgequollen, die Zunge hing ihm aus dem Mund. Um ihn herum lagen Holzsplitter. Eines seiner Knie war in einem steilen Winkel angehoben und der Absatz seines Stiefels noch immer gegen den Boden gestemmt. Er trug den Mantel, den Spandrel gestern Nacht in der Taverne über seiner Stuhllehne hatte hängen sehen. Ganz offensichtlich war er nicht erstochen worden. Obwohl er in einer Blutlache lag, war keine Wunde zu sehen. Die Ursache seines Todes war wohl eher ein um seinen Hals geschlungener, schmaler Lederriemen. Zwar hing er jetzt schlaff herunter, doch der rote Striemen auf der Haut verriet deutlich, dass der Riemen fest zugezogen worden war.
    Das Blut stammte von Jupe, der auf dem Rücken lag und mit leerem Blick zur Decke starrte. Ein Messer war bis zum Schaft in seiner Kehle begraben, und sein Mantel war mit Blut getränkt. In den langsam erstarrenden Fingern seiner linken Hand hing noch der zu einer Schlinge gebundene Riemen. Es sah ganz danach aus, als ob er Zuyler stranguliert und dieser ihm mit letzter Kraft das Messer in den Hals gerammt hätte. Die Wunde war tödlich gewesen, aber Zuyler hatte das nicht mehr gerettet. Noch in dem Moment, in dem sein Leben verebbt war, hatte Jupe seinen Vorsatz vollendet.
    Aber warum? Worum hatten sie gekämpft? Spandrels Blick wanderte zu einem Knappsack, der zusammen mit einem Kleiderbündel offen vor einer Kommode lag. Beides gehörte vermutlich Jupe. Hatte er für eine Reise gepackt? Aber wenn ja, dann hätte er doch seine Kleider nicht auf den Boden geworfen. Wenn er sie wiederum in seinem Knappsack verstaut und ein anderer sie auf der Suche nach etwas, das darunter verborgen war, herausgerissen hatte...
    »Herr Jupe!«, heulte Frau Siegwart, die schlagartig begriffen hatte, wer die Toten waren. »Und Herr Kemp!« Sie schlug sich die Hände vors Gesicht. »Das is' ja fürchterlich!«
    »Sie müssen Hilfe holen«, riet Spandrel.
    Aber plötzlich war Frau Siegwart ein ganz anderer Gedanke durch den Sinn geschossen. »Wo is' Frau Kemp?« Dann rang sie sich englische Worte ab. »Where... Mrs. Kemp?«
    Eine gute Frage, die sogar klüger war, als Frau Siegwart ahnen konnte. Wo steckte Estelle de Vries? Und was hatte sie bei sich? Spandrel sah wieder auf die zwei Toten hinab. »Ich weiß nicht, wo sie ist«, sagte er wahrheitsgemäß, auch wenn er die ganz gewiss nicht abwegige Vermutung hätte wagen können, wohin sie strebte. »Ich weiß überhaupt nichts.«
    »Wir sind zwei ausgemachte Trottel, Sie und ich«, knurrte McIlwraith ungefähr eine Stunde später, als Spandrel ihm die grässliche Szene in der Pension Siegwart geschildert hatte. »Sie verstehen doch auch, was das bedeutet, oder?«
    »Ich glaube, ja«, antwortete Spandrel. »Estelle de Vries hat das Grüne Buch nicht zerstört.«
    »Ganz bestimmt nicht. Und wir hätten ihrer tränenreichen Geschichte weiter geglaubt, hätte es nicht noch etwas anderes gegeben, das verlässlicher ist als unser Urteil: Gier, Spandrel. Die und nichts anderes war ihr Tod.«
    »Ihr Tod? Jupe war auf ihrer Seite, nicht auf unserer?«
    »Genau. Er hat uns hier ankommen sehen. Danach ist er schnurstracks zu Zuyler und dessen Herzensdame geeilt und hat sie davon überzeugt, dass sie ohne seine Hilfe keine Aussicht haben, uns zu entkommen. Erinnern Sie sich noch an ihre Verwirrung bei der Frage, wen ich vertrete, das Unterhaus oder die Regierung? Jupe muss ihnen gesagt haben, ich sei ein Agent der Regierung. Angesichts der Umstände natürlich eine nahe liegende Annahme.« McIlwraith schlug sich mit der Faust in die Handfläche. »Und Jupe war so misstrauisch! Ich bin immer noch nicht überzeugt. Ich werde die Augen weiter offen halten . Tja, er hat sein Blatt überreizt, aber wir haben trotzdem die in seinem Ärmel versteckten Karten nicht gesehen.«
    »Er hatte das Buch bei sich im Zimmer?«
    »Ja. Dann haben sie ihre herzergreifende Tragödie aufgeführt, in der Hoffnung, dass wir aufgeben, damit sie unbehelligt nach

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