Die Mission
Nacht wird dein Vater in Zukunft seinen Lordtitel wohl oder übel an den Nagel hängen müssen. Und wenn du mich fragst, so glaube ich nicht, dass er überhaupt noch eine Zukunft hat.«
Die Gruppe schwieg betroffen angesichts ihrer Gleichgültigkeit gegenüber Trixies Gefühlen. Trixie spürte, wie ihre Wangen vor Wut erröteten. »Das war überflüssig. Mein Vater hat dich mit Respekt behandelt, und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du seinem Beispiel folgen könntest.« Eines Tages würde die Dämonin für diese Beleidigung zahlen müssen, schwor sie sich.
»Das war unglaublich herzlos«, bemerkte die Shade leise.
Norma ließ sich kein bisschen beeindrucken. »Ach, komm schon, Baby, denk an das Programm … das Computerprogramm. Das hier sind Dupes, die haben nicht mal echte Gefühle.«
»Zu Ihrer Information, Miss Williams«, fauchte Dabrowski, der sich über das vulgäre Benehmen der Dämonin genauso zu ärgern schien wie der Rest der Truppe. »Kamerad Kommissar Dashwood hat Ihnen heute Abend zur Flucht verholfen, was diesen tapferen Mann wahrscheinlich das Leben gekostet hat. Daher wäre ich sehr dankbar, wenn Sie trotz ihrer offenkundigen Antipathie für uns Dupes Rücksicht auf Miss Dashwoods Gefühle nehmen könnten.«
Es folgte ein weiteres verlegenes Schweigen.
»Was ist ein Dupe?«, fragte Vanka.
»So nennen die Dämonen anscheinend die Bewohner der Demi-Monde«, erklärte Dabrowski. »Jedenfalls hat uns Miss Williams so genannt, als Miss Dashwood und ich heute Nachmittag die Unterhaltung zwischen Reinhard Heydrich und ihr mitgehört haben.«
»Was haben Sie sonst noch gehört, Hauptmann?«, wollte Vanka wissen.
»Dass die SS in den kommenden Tagen Warschau überfallen wird.«
»Und ausgerechnet dorthin wollen wir fliehen?«, wandte Norma ein. »Na, prima. Also vom Regen in die Traufe.« Sie verzog verächtlich das Gesicht und sah aus dem Fenster auf die Landschaft, die am Dampfwagen vorbeisauste.
»Haben Sie sich deshalb vor Dashwoods Anwesen herumgetrieben?«, fragte Vanka.
Dabrowski nickte. »Miss Dashwood und ich warteten auf das Signal für unsere eigene Flucht. Dass Sie so plötzlich aufgetaucht sind, war reiner Zufall – ein glücklicher Zufall. Ohne die Geistesgegenwart der Dämonin …«
Norma Williams warf ihm einen stechenden Blick zu.
»Äh, ich meine Miss Williams … und ihre verblüffende Ähnlichkeit mit Heydrichs Tochter Aaliz säßen wir jetzt nicht hier in diesem Dampfwagen.« Dabrowski streckte Vanka die Hand entgegen. »Jan Dabrowski, vor zehn Minuten noch Hauptmann des GoldVolk-Regiments, das der ersten Armeedivision des ForthRight unterstellt war. Obendrein habe ich die Ehre, als Major in der polnischen Widerstandsarmee zu dienen.«
Vanka schüttelte Dabrowskis Hand. »Ist mir eine Freude, Sie kennen zu lernen, Major. Ich bin Vanka Maykow, ehemaliger Oberst beim Fünften Revolutionären Infanterieregiment. Und das ist meine Freundin und Assistentin, Miss Ella Thomas.« Die Shade, diese Ella Thomas, reichte ihm die Hand, und Trixie beobachtete staunend, wie Hauptmann Dabrowski sie ohne zu zögern ergriff. Wenn man im Ghetto aufwuchs, verlor man selbst als Gentleman offensichtlich jeden Sinn für Etikette. Das heißt, wenn man einen Polen wie Dabrowski überhaupt als »Gentleman« bezeichnen konnte.
Ihre Verwunderung war so groß, dass sie der Shade ebenfalls die Hand gab, ehe sie es selbst bemerkte. Sie versuchte, den Schauer, der ihr dabei über den Rücken lief, zu verbergen.
Dabrowski sah die Shade vorsichtig an. »Darf ich fragen, aus welchem Teil der Demi-Monde Sie kommen, Miss Thomas? Ich kann Ihren Akzent nicht einordnen. Er klingt nicht gerade nach NoirVille.«
Norma lachte sarkastisch, ohne den Blick von der Landschaft zu nehmen, die draußen an ihnen vorbeiflog. »Ja, Miss Ella Thomas, warum erzählen Sie ihnen nicht, woher Sie kommen? Dann hätten wir alle etwas zu lachen.«
Die Shade seufzte verzweifelt und sagte: »Wie Norma komme ich aus der Realen Welt, also der, die Sie die Spirituelle Welt nennen.«
»Dann sind Sie ja auch eine Dämonin!«, rief Vanka erstaunt. »Deshalb sind Sie auch so ein gutes Medium. Warum haben Sie mir das nicht gesagt?«
»Tut mir leid, Vanka, aber es ist nicht gerade das, was man so nebenher erzählt, nicht wahr? Wenn Sie gewusst hätten, dass ich eine Dämonin bin, hätten Sie mich niemals eingestellt.«
Trixie kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Noch vor wenigen Tagen war sie wie die RaTionalisten fest davon
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