Die Mission
auf einer dummen Verwechslung beruht.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, dafür sind diese Jungs zu effizient, und offen gesagt ist Ihre Hautfarbe in den Rookeries nicht gerade gewöhnlich. Bleibt also nur noch eine Möglichkeit.«
»Und die wäre?«
»Dass Sie, Miss Thomas, nicht das sind, wofür Sie sich ausgeben. Dass sich unter diesem Mäntelchen der Unschuld und Weiblichkeit jemand verbirgt, der eine ernste Bedrohung für das ForthRight darstellt. Ich sage das, weil die Checkya dreißig Mann damit beauftragt hat, Ihre Wohnung zu durchsuchen, während sie sonst, soweit ich weiß, höchstens zwei Männer für so etwas abstellt. Das heißt, dass Beria – und nur er kann eine Operation dieses Ausmaßes genehmigt haben – Sie unbedingt hinter Gittern sehen will. Er muss Sie für eine äußerst gefährliche Person halten.«
Ella sah ihm in die Augen. »Gesetzt den Fall, ich wäre eine gefährliche Person … was würden Sie dann tun?«
Vanka hob die Hände. »Bitte, Miss Thomas, ich wäre Ihnen schon sehr verbunden, wenn Sie nicht gleich wieder mit Ihrem Revolver herumfuchteln würden. Gewalt ist mir höchst zuwider. Sie schlägt mir auf den Magen. Meiner Meinung nach zeugt der Rückgriff auf Gewalt von einem Mangel an Intelligenz. Sie sollten begreifen, dass Sie von mir nichts zu befürchten haben, ganz im Gegenteil. Wir sitzen sozusagen im selben Boot. Die Checkya ist etwas beschränkt, wenn es um die Strafverfolgung geht, sie wird meine Verbindung zu Ihnen als Mittäterschaft an den Verbrechen deuten, die Sie angeblich begangen haben. Folglich ist mein Schicksal fortan untrennbar mit dem Ihren verbunden, und ich habe ein rein persönliches Interesse daran, dass Sie auf freiem Fuß bleiben.«
Er bestellte zwei weitere Kaffees, wartete, bis der Kellner wieder gegangen war, und sagte: »Meine Lebensphilosophie lautet, dass alles gut ist, was die Macht des ForthRight untergräbt und den Schurken, die es führen, Steine in den Weg legt. Und deshalb will ich mein Bestes tun, um Sie zu beschützen, Miss Thomas.« Er nippte an seinem Kaffee und runzelte die Stirn. »Dieser Schutz umfasst auch den Rat, diesen Kaffee nicht zu trinken, er ist lauwarm.« Er schob die Tasse verächtlich beiseite. »Im Übrigen bin ich nach wie vor daran interessiert, dass Sie mir als Assistentin zur Hand gehen. Hatten Sie schon Gelegenheit, über mein Angebot nachzudenken?«
»Habe ich denn überhaupt eine Wahl?«
»Nicht die geringste. Ich betrachte es als eine Art Gegenleistung für die Scherereien, die Sie mir eines Tages machen …« Plötzlich wurde er ganz starr, und sein Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an. »Für die Scherereien, die Sie mir jetzt gleich machen werden. Ich muss Sie bitten, mir gänzlich zu vertrauen, Miss Thomas. Tun Sie genau, was ich Ihnen sage, sonst überleben wir diese Nacht nicht. Und ich lege Wert auf dieses wir.«
»Was ist denn los?«
»Ein Checkya-Offizier hat soeben das Café betreten und überprüft die Ausweise sämtlicher Gäste.«
17
Demi-Monde:
40. Tag im Winter des Jahres 1004
Im ForthRight dürfen UnterWesen nur innerhalb des ummauerten Warschauer Ghettos wohnen. UnterWesen gelten als Bürger zweiter Klasse. Es ist Ihnen nur bis zum vierzehnten Lebensjahr gestattet, die Schule zu besuchen; ab dem fünfzigsten Lebensjahr erhalten sie keine medizinische Versorgung mehr. Innerhalb des Warschauer Ghettos sind nur solche Orte der Andacht gestattet, welche die Kirche der Doktrin des UnFunDaMentalismus geweiht hat. Alle UnterWesen, die das Ghetto verlassen oder außerhalb des Ghettos beschäftigt sind, müssen im Besitz eines von der Checkya ausgestellten gültigen Passierscheins sein. Alle nuJus, die das Warschauer Ghetto verlassen oder außerhalb des Warschauer Ghettos beschäftigt sind, müssen im Besitz eines von der Checkya ausgestellten gültigen Passierscheins sein, darüber hinaus sind sie verpflichtet, eine Armbinde mit einem schwarzen fünfeckigen Stern auf weißem Untergrund zu tragen (mindestens 12,5 Zentimeter breit).
– Erlass 7823 zur Kontrolle und Isolation von UnterWesen im ForthRight. – ForthRight Gesetzesblatt, Frühjahr 1003
Es gab kein Entkommen.
Ein einziger Blick auf ihre Haut, und schon würde man sie festnehmen, und den Rest ihres Lebens in einem Gefängnis der Demi-Monde zu vertrödeln war das Letzte, was sie wollte. Blöderweise gab es keine Möglichkeit, ihre Hautfarbe zu verbergen. Sie konnte das Gesicht hinter ihrem Schleier verstecken, aber sie hatte keine
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