Die Mission
Kopf. Es konnte nicht der Professor gewesen sein. Er hätte ihr bestimmt gesagt, wenn irgendwo in der Demi-Monde ein Duplikat von ihm herumlief.
Schließlich zog Vanka den Hut vor einer seiner neuen weiblichen Bekanntschaften und schlenderte über die Straße zu der Stelle zurück, an der Ella wartete. »Ich wäre Ihnen sehr verbunden, Miss Thomas, wenn Sie sich den Schleier schön dicht um das Gesicht zögen.« Er ergriff den Arm der zitternden Ella und führte sie zu dem Café.
»Sie frieren ja, meine Liebe«, säuselte er, als sie durch die Drehtür traten. »Mal sehen, ob wir einen Tisch in der Nähe des Kamins bekommen können.« Sie konnten. Eine Münze wechselte den Besitzer, und sie fanden sich an einem Tisch neben dem Kamin im hinteren Teil des Lokals wieder.
Trotz ihrer Aufregung war Ella von der Eleganz des Raums beeindruckt. Er erinnerte sie an die Bilder, die sie von Wiener Kaffeehäusern gesehen hatte. Alles vergoldet, voller Spiegel, gestärkte weiße Tischdecken und uniformierte Kellner. Vanka bestellte Kaffee und Kuchen, und als der Kellner die Bestellung gebracht hatte, bestand er darauf, dass sie beides probierte, bevor sie sich unterhielten.
Ein guter Rat. Während sie aß und trank, wurde Ella allmählich ruhiger, was sie auch auf den Einfluss ihres neuen Freundes zurückführte. Vanka Maykow war tatsächlich ein Charmeur. In seiner Gesellschaft konnte man unmöglich abgelenkt oder deprimiert sein. Er strahlte eine solche Sicherheit aus, dass er einen vollkommen beruhigte. Obendrein war er äußerst aufmerksam und sorgte sich rührend darum, dass sie nicht im Durchzug saß oder ihr Kaffee genau so zubereitet wurde, wie sie ihn gern hatte.
Schließlich kam er auf das Geschäftliche zu sprechen. »Sieht ganz danach aus, als hätten Sie die Aufmerksamkeit der Checkya auf sich gezogen, Miss Thomas. Die Burschen haben einen Haftbefehl gegen Sie und sind dabei, Ihre Wohnung auf den Kopf zu stellen.«
»Warum denn?«
»Der Leiter des Checkya-Kommandos, das Sie festnehmen soll, sagte mir, Sie würden bezichtigt, eine Suff-Ra-Getten-Agentin zu sein, ein Lockspitzel aus Coven, um Frieden und Ruhe in den Rookeries zu sabotieren. Das sind sehr ernste Anschuldigungen.«
»Ich bin keine Suff-Ra-Gette!«, beschwerte sich Ella schon zum zweiten Mal an diesem Abend.
»Pst!« Vanka legte den Finger auf den Mund und nickte in Richtung der überfüllten Tische um sie herum. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie etwas leiser sprechen könnten.« Er lehnte sich zurück und streckte die langen Beine aus. »In meiner langen Karriere als Medium habe ich eine Menge Leute getroffen und einen fast unfehlbaren Riecher für Lügner und Gesindel entwickelt, Miss Thomas. Sie sind keines von beidem. Ich glaube, dass Sie die Wahrheit sagen.«
Aus irgendeinem perversen Grund fand Ella diese Worte seltsam beruhigend.
»Allerdings hat Vankas Meinung in den Kreisen der Checkya wenig Gewicht. Es ist offensichtlich, dass man Sie im Zusammenhang mit einem politischen Verbrechen sucht. Die Checkya verplempert ihre Zeit nicht mit harmlosen Schurkereien. Also müssen wir davon ausgehen, dass man Sie denunziert hat … auf übelste Weise. Aus irgendeinem Grund muss irgendwer der Checkya zugeflüstert haben, dass sie eine Volksfeindin sind.« Er schob sich ein weiteres Stück Kuchen in den Mund. »Mmm, köstlich, aber man darf die schlanke Linie nicht vergessen, nicht wahr?« Widerwillig legte er die Gabel beiseite. »Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, Miss Thomas, um meiner, aber auch Ihrer Sicherheit willen. Haben Sie in irgendeiner Weise einen der Bonzen des ForthRight beleidigt oder geärgert?«
»Aber nein. Ich bin noch nie einem begegnet.«
»Heydrich? Beria? Crowley?«
»Nein, nein, nein.«
»Sie sind eine schöne Frau, Miss Thomas. Haben sie womöglich das Angebot eines dieser drei Herren abgelehnt?«
Zu ihrer eigenen Verärgerung errötete Ella. »Nein!«
»Könnte es sein, dass Sie zur Zielscheibe eines verschmähten Liebhabers oder einer gekränkten rachsüchtigen Ehefrau geworden sind?«
»Seien Sie nicht albern.«
»Dann müssen Sie im Besitz von Informationen kompromittierender Art sein.«
»Ganz sicher nicht.«
»Sind Sie Shakas Agentin? Schließlich sind Sie eine Shade.«
»Nein!«
Vanka nahm nachdenklich einen Schluck Kaffee. »Da Sie allem Anschein nach weder ein Verbrechen begangen noch eine Autorität beleidigt haben, bleiben nur zwei Alternativen. Zum einen, dass das Interesse der Checkya an Ihnen
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