Die Mission
scheißegal, wer ihr seid. Ich bin noch nicht fertig mit diesem Fraß«, grölte ein betrunkener Gast, ein riesiger Matrose aus NoirVille.
Clement nickte nur. Einer seiner SS -Schergen trat vor, zog einen großen Knüppel aus seinem Gürtel und schlug den Mann mit einem kräftigen Hieb zu Boden. Dann prügelte er so lange auf den armen Kahnführer ein, bis der sich nicht mehr rührte.
»Möchte hier noch jemand einen Kommentar abgeben?«, fragte Archie Clement.
Totenstille.
»Na schön. Ich will wissen, wo dieser Hellseher steckt, der sich Mephisto nennt.«
Vanka rutschte das Herz in die Hose. Dass man eine derart ranghohe Delegation mit der Suche nach ihm beauftragt hatte, bedeutete, dass sie ihn unbedingt haben wollten. Vanka sah sich schon in einer Folterhölle der SS , verscheuchte diese Vorstellung aber sofort wieder. Er musste einen klaren Kopf behalten.
Heimlich drückte er Ellas Hand und signalisierte ihr, dass sie den Mund halten sollte. Es gab eine winzige Möglichkeit, den Hals aus der Schlinge zu ziehen. Außer ihnen wusste nur noch einer, wer Mephisto war: Burlesque Bandstand.
Doch genau in dem Augenblick bahnte sich Burlesque einen Weg ins Prancing Pig , sein Gesicht war noch röter als sonst. »Schönsten guten Nachmittag, Kameraden … Herrschaften. Welch Freude, dass Sie mein Lokal mit Ihrm werten Besuch beehrn. Sie wissen ja, ich bin stets bereit, dem ForthRight zu helfen, Kamerad Clement, so wie’s meine Pflicht is. Was kann ich also für die Herren tun …?«
Clement warf Burlesque einen Blick zu, als wäre der etwas, was er sich gerade von der Schuhsohle gekratzt hatte. »Ich suche einen Magier, der unter dem Künstlernamen Mephisto auftritt.«
Jetzt konnte Vanka seinen Plan vergessen. Wenn es um Loyalität gegenüber Freunden ging, hatte Burlesque keine Freunde.
»Oh. Das heißt, Sie wolln mit Vanka Maykow sprechen.« Burlesque nickte in ihre Richtung.
Mistkerl.
Clement stiefelte quer durch den Raum und blieb vor Vankas Tisch stehen. »Sind Sie der Hellseher, der unter dem Namen Mephisto auftritt?«, herrschte er ihn an.
Leugnen hatte keinen Zweck. »Der bin ich«, antwortete Vanka ruhig und schloss unter dem Tisch unauffällig die Hand um den Griff des Cloverleaf-Colts, den er im Gürtel trug. Er konnte Gewalt nicht ausstehen, aber wenn es hart auf hart kam …
Clement nickte Ella zu und rümpfte die Nase, als ginge ein übler Geruch von ihr aus. »Und diese Shade? Wer ist das?«, fragte er verächtlich.
»Meine Assistentin, Miss Marie Laveau.«
»Aha, ich glaubte, Frauen aus NoirVille dürften ihren Sektor nicht verlassen.«
»Sie stammt aus dem JAD .«
Das erklärte alles. Der Autonome Distrikt der nuJus war der einzige Ort in NoirVille, in dem Frauen vor dem fanatischen Weiberhass des HimPerialismus sicher waren.
Clement schnaubte. »Schwarzer Abschaum ist im ForthRight nicht gern gesehen.«
»Miss Laveau hat ein Besuchervisum für das ForthRight«, unterbrach ihn Vanka und dankte den Geistern, dass Ella jetzt wenigstens im Besitz von Papieren mit ihrem nom de magie war. »Sie ist Teil des Kulturaustauschprogramms, mit dem Kamerad Beria die Beziehungen zwischen dem ForthRight und NoirVille zu verbessern gedenkt.«
Clement spuckte auf den Boden. »Mir sind Kamerad Berias gute Taten scheißegal.« Er drehte sich zum Untersturmführer der SS um. »Schaffen Sie alle raus mit Ausnahme des Magiers und des Shade-Mädchens.«
»Und was is mit mir, Exzellenz?«, fragte Burlesque kriecherisch.
»Raus!« Ein aufgebrachter Burlesque und seine dreißig Gäste wurden unsanft aus dem Pub befördert. Vanka und Ella waren nun der Gnade der SS ausgeliefert. Fast zehn Minuten lang saßen sie in der leeren Kneipe, während nur die Stille und die finster dreinblickenden Männer der SS -Sturmabteilung ihnen Gesellschaft leisteten. Vanka kam alles etwas merkwürdig vor. Normalerweise legte die SS den Gefangenen sofort Handschellen an, verfrachtete sie in einen Dampfwagen, und anschließend …
Na ja, eigentlich gab es dann kein »anschließend« mehr. Menschen, die von der SS verhaftet wurden, bekam man nie wieder zu Gesicht. Sobald sie das SS -Gefängnis von Wewelsburg erreichten, war es zu Ende mit ihrer Existenz. Sie wurden nonNixe.
Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Das wirklich Merkwürdige an der ganzen Sache war, dass weder Ella noch er richtig verhaftet worden waren. In Wahrheit war dieser Standartenführer Clement für SS -Standards bemerkenswert zurückhaltend
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