Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)
eher flehend als fröhlich mit dem Schwanz wedelte.
Helene war froh, wenn sie in solchen Augenblicken Otta hörte, meist ließ Erich dann von ihr ab. Noch besser war es, wenn Fanny von ihrem kurzen Einkauf oder einer anderen Erledigung heimkehrte und Erich Helene ohne ein weiteres Wort losließ. Es gab Tage, an denen wich Helene instinktiv nicht von Ottas Seite, begleitete sie in die Küche und zum Einkaufen. Aber es gab andere Tage wie diesen, an dem sich Helene allein in der Wohnung glaubte, eine Zeitung nahm und sich in den Wintergarten setzte, zu dem Fanny die Veranda durch das Einsetzen von Glasfenstern hatte umbauen lassen. Aus der Stille näherten sich beschwingte Schritte. Erich kam, setzte sich ihr gegenüber an den niedrigen Tisch und legte einen Fuß auf sein Knie, das Bein im großen Winkel. Mhm. Er machte von Zeit zu Zeit unbestimmte Geräusche, mhm, so als sage sie etwas, mhm und mhm, stimme er ihr zu, mhmhm, mhmhm, vielleicht war es eher ein ablehnendes mhm, ein erwartungsvolles mhm, mhmhm, mhm, ganz, als leide er unter einem Reflex, mhm, wie ein Meerschweinchen, mhm, er sah zu, wie sie Zeitung las. Zehn wortlose Minuten genügten, Erich stand auf, nahm ihr die Zeitung weg und sagte: Ich weiß, was dir fehlt.
Helene zog die Augenbrauen hoch, sie wollte ihn nicht an sehen.
Erich fuhr mit der Hand von oben in ihre Bluse. Helene wehrte sich. Die Knöpfe ihrer Bluse sprangen ab, der feine Stoff darunter riss.
Pass doch auf, keuchte er und lachte und jedes zuvor noch unterdrückte Seufzen gedieh zum Schnaufen, zum Stimmhaften, Erich lachte und hielt jetzt Helenes Handgelenke fest, er ließ sich auf die Knie fallen und stürzte sich mit einem nassen, sabbernden Mund auf ihren nackten Oberkörper. Torso, ging es Helene durch den Kopf, und sie musste an die anatomischen Modelle denken, anhand deren ihnen in der Ausbildung der menschliche Körper gezeigt worden war, wo das Herz schlug ohne Kopf und Denken. Gliedmaßen hatten mit ihrer Funktion ihre Bedeutung verloren. Purpur und Violett war eine Farbe vor den Fenstern.
Helene versuchte seine Schultern von sich wegzudrücken, mit dem ganzen Körper, sie wollte sich losmachen, aber Erich war schwer wie ein Stein und lutschte besinnungslos an ihrer Haut. Er wollte sie aussaugen, jeden Flecken ihres Körpers benetzte er mit seinem tranig riechenden Speichel. Da er ihre Handgelenke umklammert hielt und sie in den Sessel drückte, versuchte Helene durch ein Aufbäumen des Körpers, ihn von sich zu drücken. Doch es war, als reize ihn jede ihrer Bewegungen nur zu größerer Wildheit. Ungestüm leckte er mit der Zunge über ihr Gesicht, ihren Hals entlang und über ihre Brust. Helene wurde starr. Hab ich dich, hab ich dich, stammelte Erich ohne Unterlass.
Ich wollte die Alpenveilchen gießen, sagte plötzlich eine Stimme über ihnen. Fannys Stimme war nicht gerade fest, sie war schrill und klar. Fanny hielt eine Gießkanne aus Messing, klein, mit langer Tülle in die Höhe. Im nächsten Augenblick schlug sie mit der Gießkanne auf Erichs Kopf. Erich sackte nicht zusammen, verhinderte aber mit seinem Aufspringen, dass der nächste Schlag Helene erwischte, die Gießkanne flog jetzt auf den Boden. Erich hatte ihre Handgelenke losgelassen.
Fanny schrie. Was sie genau schrie, konnte Helene nicht verstehen. Es hatte mit Krethi und Plethi zu tun, wir sind hier doch nicht bei Krethi und Plethi, vermutlich hatte sie das geschrien. Das Purpur gewann Konturen, aber die Alpenveilchen ließen keins ihrer Blätter hängen. Helene hielt sich mit beiden Händen ihre Bluse zu, stand auf und machte, dass sie in ihr Zimmer kam. Dort presste sie ihre kalten Hände auf die glühenden Wangen, etwas stieß ihr von innen an den Schädel, zu weich war das, zu fest die Stirn.
Sie hörte Fanny und Erich noch bis spät in die Nacht streiten, aber das war nichts Ungewöhnliches. Helene ging arbeiten, sie kam nach Hause und ging Fanny aus dem Weg.
Helene verfluchte ihr Dasein, sie schämte sich für ein Leben, das sie ohne großes Dazutun atmen, arbeiten, und mit der Zeit wieder Flüssigkeit zu sich nehmen und schlafen ließ. Sie schämte sich, weil sie etwas dafür konnte, sie wusste, wie der Tod herbeizuführen war, schnell und unauffällig. Was war da schon ein Schmerz, was kleine Übelkeiten, wo sie doch endlich sein würden. Helene wusste, dass sie nicht überraschend gefunden werden wollte, man sollte sich weder mit ihr noch mit ihrem Tod auseinandersetzen, sie wollte nicht, dass
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