Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)
in den Haaren lagen, nicht etwa über Brillanten und Federboas, sie stritten über ein Kleid, das Pina ohne sein Einverständnis vom nicht vorhandenen Geld erstanden hatte. Der Baron unterstellte ihr, sie beleihe seine Freunde und betrüge ihre Gütergemeinschaft. Sie stritt alles ab. Bald riss sie die Arme in die Luft und rief: Ich gestehe, ich habe gestohlen! Du wolltest es unbedingt wissen, hier ist die Wahrheit: Gestohlen. Eine Diebin bin ich. Im Kaufhaus des Westens. Was nun? Helene blickte zu den anderen Gästen, sie blickte auf ihre Schuhe und sie betrachtete ihre Hände. Einer der Nägel zeigte einen dunklen Schimmer. Helene erhob sich von der Chaiselongue, auf der sie bis eben allein und unbe lästigt gesessen hatte, sie krümmte ihre Finger so gut es ging, rollte sie ein, damit niemand den schwarzrandigen Nagel sehen konnte, und ging hinaus in den Korridor, wo sie kurz vor dem Badezimmer warten musste. Kaum öffnete sich die Tür und war das Bad frei, stürmte Helene hinein. Sie verriegelte die Tür. Der Badeofen war geheizt und Helene drehte den Hahn auf, das heiße Wasser kam weiß und dampfend heraus, Helene schrubbte mit der Nagelbürste unter fließendem Wasser ihre Nägel. Die Seife schäumte, Helene schrubbte, seifte, schrubbte, und seifte. Ihre Hände röteten sich, die Nägel wurden immer weißer. Sie wusch auch ihr Gesicht, und weil es die Wirbelsäule entlang juckte, musste Helene auch ihren Hals waschen, soweit sie konnte, ohne sich zu entkleiden. Jemand klopfte an die Tür. Helene wusste, dass sie den Wasserhahn zudrehen musste, ihre Hände wurden rot und warm und sauber, und röter und wärmer und sauberer, es fiel ihr nicht leicht. Unterhalb des Hahns war in der Wanne die bläulichgrüngelbe Maserung der Rückstände des Wassers zu sehen. Welche Salze das Wasser mit dem Kalk da wohl angeschwemmt und abgelagert hatte?
Zurück unter den Gästen hatte Helene gerade beschlossen, aufzubrechen, schließlich sollte man im Schwesternheim bis zehn Uhr nach Hause gekommen sein, die Nachtschicht erhielt erst morgens um sechs wieder Einlass, als ein junger Mann lächelnd vor ihr stand. Es sah aus, als würde er sie kennen, so unerschütterlich grinste er zu ihr herab.
Unser Wilhelm, sagte Erich, der hinter dem jungen Mann auftauchte.
Lass mich raten, sagte Wilhelm, lass mich raten, wie sie heißt.
Er rät heute Abend alle Namen, erklärte Erich und klopfte seinem Freund auf die Schulter. Erich lachte. Sein Name ist Hanussen.
Wilhelm schob Erichs Hand von seiner Schulter. Von wegen Hanussen.
Nur einmal lag er richtig, und das nicht mal bei einer Dame. Erich nagelte seinen Blick in Helene.
Wilhelm ließ sich von Erich nicht verunsichern, er sah Helene prüfend an. Keine Sorge, ist nur ein Spiel. Wilhelm neigte sich zur Seite, als stehe Helenes Name auf einem Schild an ihrer Schläfe. Jetzt nickte Wilhelm. Alice. Sie heißt Alice.
Erich lachte. Fanny, die sich zu ihrer Runde gesellt hatte, wischte sich Tränen aus ihren gereizten Augen und bat Erich, ihr einen Absinth einzuschenken. Erich reagierte nicht auf Fannys Begehren, seine Augen stachen in Helenes Gesicht, bohrten sich in ihre Augen, in ihre Wangen, in ihren Mund.
Und, ist sie nicht ein Frauenzimmer nach deinem Geschmack? Willy verehrt die blonden Mädel. Erich klopfte seinem Freund auf die Schulter, als müsse er ihn weich klopfen wie ein Schnitzel. Ist vielleicht nicht viel dran, an dem Ding, aber blond ist sie. Erich lachte, er glaubte, er habe einen Witz gerissen.
Schon Erichs Blick verriet, wie er Helene anpacken würde, wären sie allein. Wilhelm stand unschuldig mit dem Rücken zu seinem Freund und etwas wie Überraschung und bares Erstaunen lag in seinen Augen.
Zumindest sind Sie von einer berückenden Schönheit, mein Fräulein, stammelte Wilhelm. Alice. Sie verraten mir bestimmt Ihren Namen?
Helene bemühte sich um ein freundliches Lächeln, über Wilhelms Schulter hinweg sah sie die Uhr im Korridor, die weiße Standuhr zeigte halb zehn. Helene wollte aufbrechen.
Jetzt schon? Wilhelm konnte es nicht glauben. Das Fest hat doch gerade erst begonnen. Sie wollen mich doch nicht gleich verlassen?
Helene sagte mit dem freundlichen Lächeln: Ich muss.
Schwesternheim, Erich fuhr mit der Zunge über die Zähne, ließ dann in obszöner Geste die Zunge über die Lippen schnalzen. Sie wohnt im Schwesternheim.
Eine Nonne, Jungfrau Maria. Wilhelm glaubte es sofort.
Quatsch. Erich fiel ihm ins Wort. Keine Jungfrau, du Dussel,
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