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Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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schüttelt es und wirft es wieder auf die Tischplatte. »Unser neunmalkluger Sohnemann will mir weismachen, ich sei ein Idiot, Lottchen. Er verlangt, dass ich hingehe und zugebe, Flaggen geklaut zu haben, wobei ich fotografiert wurde. Verdammt, wir alle kennen das Foto. Und ich bin heilfroh, dass bisher niemand spitzkriegte, wen es zeigt.«
    » Das ist acht oder zehn Jahre her und interessiert heute niemanden mehr«, stößt Thomas hervor.
    » Unrecht bleibt Unrecht«, sagte Frank Wille hart.
    » Lass Papa in Ruhe ...«, sagt Lotte Wille. Sie ist stiller geworden in der letzten Zeit, und älter. »Er hatte eine harte Schicht.«
    Thomas will nicht aufgeben. Er will nicht, dass sein Vater sich hinter die Tageszeitung flüchtet und Mutter in die Küche. Er ist ein erwachsener Mann und er hat eine Meinung, die er durchsetzen will. Will, will, Wille!
    »Ja, ich lass Vater in Ruhe. Aber zuerst möchte ich eine Antwort. Entweder kümmert ihr euch darum, oder ich tue es.«
    » Sag mal ...« Frank Wille springt auch, die Zeitung rutscht von seinen Knien, seine Augen funkeln und Schweißperlen glänzen auf seiner Stirn. »Sag mal, Filius ... nimmst du Drogen? Oder bist du besoffen? Was glaubst du, wer du bist? Ich sagte, die Sache ist rum und ich will kein Wort mehr davon hören.«
    Thomas weicht einen Schritt zurück.
    Frank sagt: »Ich weiß von dem Foto, seitdem es veröffentlicht wurde und vermutlich weiß ich auch, wer es gemacht hat. Aber das interessiert mich nicht. Ich will nichts mehr von dieser Sache hören, ist das klar?«
    Thomas grinst. »Immer schön den Kopf einziehen, nicht wahr?«
    » Was meinst du damit?«, faucht sein Vater. Mutter zieht Thomas am Arm. Ihre leisen Worte tropfen ungehört von ihm ab.
    » Nicht zu seiner Scheiße stehen. Das meine ich. So seid ihr doch alle. Ich war’s nicht, habe nichts damit zu tun, blabla. Ich wusste von nichts. Es waren die Anderen. Ich nicht. Soll der Fotograf von mir aus reich damit werden, obwohl er es nicht dürfte, die Hauptsache ist, man zieht den Schwanz ein, stimmt’s? So, wie die meisten von euch. Ich wusste nichts von den Konzentrationslagern und ich wusste auch nichts von den bösen Männern, die die Welt erobern wollten. Ich war ja nur das arme Soldatenopfer. Aber wenn ich schlafe, träume ich von der SS und von den Abzeichen, die ich heimlich entsorgt habe. Es wäre fatal, wenn man mir auf die Schliche kommt, aber meine Gesinnung ändert sich nicht. Und was jetzt? Langhaarige Gammler und Hippies und diese RAF. Alle ins Lager sperren sollte man die. Nur wissen darf keiner, was ich denke. Immer schön den Kopf einziehen.«
    Frank Wille sieht aus, als wolle er seinen Sohn schlagen, doch der überragt ihn um Haupteslänge und überhaupt ist so etwas nicht Franks Art.
    »Halt die Klappe und verzieh dich, bis Mama zum Essen ruft«, krächzt er. »Geh mir aus den Augen. Sehe zu, dass du wieder nüchtern wirst.«
    » Ich bin nüchtern.«
    » Ich will nicht glauben, dass es so ist.«
    » Ihr solltet euch schämen.«
    » Ihr? Wen meinst du mit ihr ?«
    » Ihr Altvorderen. Ihr Mörder! Heute den Biedermann spielen, aber ...«
    Die Luft verdickt sich im Wohnzimmer der Willes. Unaussprechliches wurde gesagt. Hat sich entwickelt, hochgeschraubt, wie ein Furz, der zum Donnerhall wird.
    Frank Wille schnappt nach Luft.
    » Verschwinde!«, brüllt er und nun weiß Thomas, dass er zu weit gegangen ist. Er hält die Klappe und wirft das Kinn in die Höhe. Er wendet auf der Stelle und stapft hinaus.
    » Verschwinde endlich!«, brüllt Vater hinter ihm her, nimmt das Magazin und wirft es gegen die sich schließende Tür. »Und bleib, wo du bist! Niemand nennt mich ungestraft einen Mörder. Niemand! Niemand!«
    Dann fällt die Wohnzimmertür zu Füße stapfen die Treppe hoch, und Thomas ist in seinem Zimmer, lehnt sich schweratmend mit dem Rücken dagegen und vor seinen Augen bebt Zorn, dieser gottverdammte Zorn.

11
     
    » Er hat sich verändert«, sagt Frank betrübt. »Er ist nicht mehr der Tom, der er mal war. Es ist die Bundeswehr. Sie hat ihn verändert. Glaubst du, ich weiß nicht, dass er zu viel säuft? Und wie lange will er noch bei uns wohnen? Ich kapiere den Jungen nicht. Er arbeitet nicht, hat keine Freundin ...«
    » Er schreibt.«
    » Ich habe ein paar Seiten gelesen. Was er schreibt, ist schlecht. Er hat Talent, aber er schreibt unreif.«
    Frank und Lotte schweigen. Frank öffnet eine Bierflasche. Sie trinken, während im Fernsehen die Tagesschau beginnt.
    »Er

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