Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)

Titel: Die Mitte des Weges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
Vom Netzwerk:
hat mich beleidigt«, sagt Frank.
    » Ich weiß«, antwortet Lotte und streichelt ihm mit dem Handrücken über die Wange.
    » Ich habe mich immer bemüht, kein Mörder zu sein. Ich war Soldat, war viel zu jung, um zu töten. Und später, bei der Fremdenlegion, war ich einer der wenigen, die sich nicht an jeder Schießerei beteiligten, was mir einigen Ärger mit Colonel Legrange einbrachte. Letztendlich hat er mich begriffen, wie er mich immer begriff. Er wusste, dass es mir um die Zeit danach ging und darum, mich im Spiegel sehen zu können.“ Als ihm die Doppeldeutigkeit des letzten Satzes auffällt, grinst er schräg. „Ich könnte dir Sachen aus Kambodscha erzählen. Massaker an Unschuldigen ...« Frank schüttelt den Kopf. »Und nun muss ich mir ausgerechnet von so einem halbgaren, gottverdammten Schnösel sagen lassen, ich sei ein Mörder, ein Wendehals? Woher nimmt der Kerl das Recht, so mit mir zu sprechen? Weil es nicht nach seinem Kopf geht? Weil ich meine Rechte an diesem Foto nicht anmelde? Was haben wir da erzogen? Das ist nicht mehr mein Tom. Das ist ein ... ist ein ... Arschloch!« Hart sagt Frank das und er meint es so. Sein kantiges Gesicht ist schmal und seine Augen unter den buschiger werdenden Augenbrauen stechen in Lottes Seele.
    » Er hat es bestimmt nicht böse gemeint«, sagt Lotte.
    » Eben darum geht es. Niemand meint es böse. Es sind ja nur Worte. Die rutschen einem raus, ohne dass man darüber nachddnkt. Und was ist mit der Verantwortung? Soll ich zu ihm gehen und sagen, alles sei wieder in Ordnung? Er sei halt jung und da könne das geschehen?«
    Lotte sieht aus, als wolle sie nicken, stattdessen schüttelt sie langsam den Kopf.
    »Diese Ungerechtigkeit der Jugend«, stößt Frank hervor. »Sie glauben, sie könnten uns Vorwürfe machen, sie nehmen sich das Recht dazu, obwohl wir es waren, die den Kopf hingehalten haben. Wir haben Deutschland aufgebaut. Wir haben geschuftet und unsere Liebsten verloren. Und nun kommen diese Banausen in ihren Jeans und seltsamen bunten Hemden und ihrer Rockmusik und spucken uns an. Und wenn wir nicht spuren, setzen sie uns Sprengsätze unter die Ärsche und kriegen dafür auch noch ein nagelneues Gefängnis gebaut, was eigentlich keiner bezahlen kann. Das kotzt mich an. Es ist, als wären wir vom Anfang gegangen und sind nun auf der Mitte des Weges, ohne zu wissen, wohin er führt, denn vor uns liegt eine Kreuzung und unter uns explodiert eine Bombe.«
    Lotte streichelt Franks Hand.
    Sie weiß, dass er kein konservativer Kantschädel ist. Er hat mit ihr getanzt. Kung Fu Fighting heißt das Lied und sie hatten eine Menge Spaß dabei und ein paar Schnäpschen zu viel. Den Beat Club sieht Frank gerne, denn ihn faszinieren die Lichteffekte und wirren Bilder. Wenn Tom die Musik laut aufdreht, ist Frank der Erste, der beschwichtigt und manchmal, wenn er sich unbeobachtet fühlt, zum stampfenden Bass von oben mit dem Fuß wippt. Noch nie hat Frank abwertend über lange Haare gesprochen oder über Schlaghosen und Koteletten bis zum Kinn. Er hat es akzeptiert, toleriert.
    Doch nun ist Thomas im zu nahe getreten.
    Und alles ist in Misskredit gebracht. Nichts ist mehr wie zuvor.
    » Und wenn er recht hat?«, fragt Lotte vorsichtig.
    » Was meinst du?« Frank kneift die Augen zusammen.
    » Was, wenn du tatsächlich die Rechte auf das Foto anmelden solltest? Wir sind nicht rosig gebettet. Das Haus wurde teurer, als wir dachten und du willst bald in Frührente gehen. Wir unterstützen Ottilie, was auch nicht billig ist. Da können wir jeden Pfennig gebrauchen.«
    Frank scheint zu überlegen, ob er auffahren soll, aber er bleibt scheinbar gelassen. Er streitet nicht gerne mit seiner Frau. Dann kann aus der Hausfrau eine Furie werden, die scharfzüngig bitter e Galle spritzt und auch vor Beleidigungen nicht zurückschreckt. Es gab nicht viele Streits, die so ausarteten, und zumeist war Alkohol im Spiel, doch sie reichten, um beiden zu zeigen, dass es besser war, es nicht so weit kommen zu lassen. Letztendlich schlugen sie sich gegenseitig Wunden, Türen knallten, Gläser klirrten und am nächsten Tag, wenn über dem Frühstückstisch eine Wolke aus Alkoholatemdunst schwang, sahen sie sich an und fragten sich still, wie viel die Kinder vom Streit der letzten Nacht mitbekommen hatten?
    » Ich werde das nicht tun«, sagt Frank. »Ich habe meine Entscheidung getroffen.«
    Das ist ein schmaler Grat. Jeden Augenblick kann es aus Lotte hervorbrechen. Dann, wenn sie sich

Weitere Kostenlose Bücher