Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)
und eine Maus. Die Minuten, in denen man den Körper der Kälte aussetzt, sind schlimm, aber der Schlafsack wärmt. So sollen sie schlafen, aber es gelingt nicht. Irgendwann kriecht die Kälte über den Boden durch die Stoffe.
Soeben plant Thomas, ans Feuer zu gehen, als laute Stimmen die relative Stille durchschneiden. Es ist Ditschig, der zurückgekehrt ist und offensichtlich weiß, dass die drei Soldaten nicht mehr unterwegs sind, sondern im Zelt liegen.
» Wille, Schmidt, Trampop, antreten!«
Die Männer ziehen sich an und stehen vor dem Feldwebel stramm. »Sie werden garantiert eine gute Erklärung dafür haben«, sagt Ditschig und baut sich, die Hände auf dem Rücken verschränkt, vor ihnen auf. Er drückt die Brust raus und scheint als Einziger nicht zu frieren. »Diese Erklärung lasse ich nicht gelten. Sie werden sich nach unserer Rückkehr bei mir einfinden und ich werde für eine Disziplinarmaßnahme sorgen. Besonders Sie, Hauptgefreiter Wille, verwundern mich nicht. Sie waren stets ein Störenfried und nun handeln Sie sich während einer harmlosen Reserveübung ein Disziplinarverfahren ein, dass Sie bis ins Private verfolgen wird.«
» Und ich werde mich nicht aufhängen, Herr Feldwebel!«, donnert Thomas.
Ditschig zieht ein Gesicht.
» Bei allem Respekt, Herr Feldwebel«, sagt Thomas laut und deutlich, denn er ist sich der vielen Blicke bewusst. »Ich vermute, Sie haben uns bei dieser Kälte mitten in der Nacht nach einem arbeitsreichen Tag und dem traumatischen Erlebnis mit dem Panzer auf einen Zwanzigkilometermarsch geschickt, um eine Reaktion zu provozieren. Sie machten deutlich, dass nach dem Marsch eine Brückensprengung angesagt ist. Ich bezweifele allerdings, dass es in Ihrem Interesse liegt, dass drei Soldaten dabei mitwirken, die nicht nur völlig erschöpft sind, sondern auch nicht geschlafen haben. Das, Herr Feldwebel, halte ich in Anbetracht der Tatsache, dass wir mit Sprengstoff hantieren und somit Verantwortung für jeden Kameraden tragen, für unverantwortlich. Deshalb haben wir beschlossen, uns im Sinne der Sicherheit auszuruhen.«
Blabla Blubb! Nimmt ihm das einer ab?
Ditschig starrt Thomas an, als glaube er nicht, was er soeben gehört hat. »Sie haben einen klaren Befehl missachtet, Hauptgefreiter. Sie und Ihre Kameraden, die außerdem noch höhere Dienstgrade sind.«
» Was ist hier los?« Der Hauptmann, dessen Namen Thomas vergessen hat, kommt hinzu. Er wirkt angetrunken.
Ditschig schildert in knappen Sätzen, was geschehen ist. Der Hauptmann zieht die Brauen zusammen und sein Mund ist ein schmaler Strich. Er mustert die drei Reservisten und sagt ruhig: »Ich habe Ihre Ausführungen gehört, Hauptgefreiter, und finde sie vernünftig. Dennoch haben sie einen Befehl verweigert. Nach unserer Rückkehr werden wir sehen, was daraus wird. Nun schlage ich vor, sie legen sich alle wieder hin. In drei Stunden kommt der Brötchenwagen. Nach dem Frühstück treffen wir eine Entscheidung. Ich hoffe« er dreht sich zu Ditschig. »Sie stimmen mir zu, Feldwebel Ditschig?«
» Jawoll, Herr Hauptmann.«
» Dann ist es gut. Und jetzt Abmarsch.«
Während Thomas ins Zelt zurückgeht, begegnet er Ditschigs Blick und ahnt, dass die Sache noch nicht ausgestanden ist.
Tatsächlich fällt Thomas in einen unruhigen Schlaf und es kommt ihm vor, er hätte nur wenige Minuten geschlafen, als der Antreten-Befehl durchs Lager schallt. Er zieht sich an, seine Knochen schmerzen, seine Muskeln sind verhärtet, er ist fix und fertig und noch immer ist es bitterkalt.
Der Brötchenwagen ist da und die Offiziere laufen nervös durch die Gegend.
»Was ist los?«, fragt Thomas einen Kameraden.
» Irgendwas mit den Brötchen«, sagt dieser.
Tatsächlich muss das Frühstück ausfallen, da die Brötchen auf dem Weg ins Lager allesamt gefroren sind, genauso wie die Milch und die Butter.
Nur fünf Minuten später wird eine Entscheidung getroffen.
» Die Übung ist beendet!«, verkündet der Hauptmann. »Wir können nicht für ausreichende Verpflegung sorgen, außerdem ist es zu kalt, um für Ihre Gesundheit zu garantieren. Schließlich warten Berufe auf Sie und Ihre Familien.«
Verhaltener Applaus und erstaunte Blicke.
Sie bauen eiligst die Zelte ab, verstauen alles und sitzen auf. Eine Stunde später sind sie in der Kaserne und stehen unter dem dampfenden Wasser der Duschen. Für diesen Tag erhalten alle dienstfrei und der Hauptmann hat sich etwas Besonderes ausgedacht.
Jeder Soldat soll auf
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