Die Mitte des Weges: Roman (German Edition)
bekommen eine warme Mahlzeit und danach geht es weiter. Ich werde Sie bei jeder Etappe erwarten und keine Sorge, mein Fahrer und ich inspizieren die Strecke. Sollten Sie sich über Gebühr ausruhen, lasse ich Sie einsperren. Vergessen sie nie, dass Sie sich genauso militärisch zu verhalten haben, wie während Ihrer regulären Wehrdienstzeit. Wenn Sie wieder im Lager sind, brechen wir auf, um eine Brücke zu sprengen.«
» Die Entfernung, Herr Feldwebel?«, fragt Thomas.
» Zwanzig Kilometer.«
Lars Schmidt lacht hart. »Das ist ein schlechter Witz, oder?«
» Mitnichten, Unteroffizier Schmidt. Ich habe die besten drei Männer ausgesucht. Ihre Kollegen ruhen sich vor der Brückensprengung währenddessen aus oder wärmen sich am Feuer. Sie alleine tragen die Verantwortung dafür, was Ihnen unterwegs begegnet.«
» Spiel ohne Grenzen«, schnauft Lars.
» So würde ich es nicht sehen«, sagt Ditschig. »Aber genug diskutiert. Machen Sie Meldung, Männer, und auf geht’s!«
Schon nach wenigen Kilometern befällt sie das Gefühl, sich verlaufen zu haben. Niemand kann einen Kompass bei Dunkelheit richtig lesen und die Karte ist ein Witz. Immer wieder fährt Ditschigs alter DKW Munga an ihnen vorbei, ohne dass der Feldwebel sich ihnen zeigt oder ihnen Hilfestellung leistet.
» Scheiße!«, flucht Lars.
» Klappe«, raunzt Volker.
» Das ist Schikane«, sagt Thomas überflüssigerweise. Mit wenigen Sätzen berichtet er, was sich vor dem Gerichtsgebäude zugetragen hat.
» Kein Wunder, dass Ditschig einen Hals auf dich hat«, sagt Volker.
» Er ist ein Dreckskerl«, stellt Lars fest. »Und ich sehe nicht ein, warum wir uns hier quälen sollen. Es ist arschkalt und ich habe Eiszapfen an der Nase. Wie kann es Mitte November schon so kalt sein?«
» Du hast recht«, sagt Thomas. »Ich bin ein angesehener Versicherungsvertreter und verdiene dreimal so viel wie Ditschig. Ich muss mich nicht mehr so behandeln lassen.«
» Trottel«, sagt Volker. »Ihr führt euch auf wie Halbwüchsige. Wir sind auf einer Reserveübung und haben die Arschkarte gezogen. Machen wir das Beste draus und fertig.«
Sie schweigen und stapfen immer geradeaus. Die schmale Straße scheint unendlich zu sein und die Nacht verschluckt jeden vernünftigen Bezug zu Zeit und Entfernung.
Volker kniet sich hin und breitet die Karte aus. Er klatscht mit der Hand drauf und der Kegel seiner Taschenlampe tanzt auf dem Papier. »Ditschigs Wandertour ist purer Schwachsinn. Er führt uns ein einem doppelten Bogen um das Lager. Seht mal genau hin. Wenn wir hier westlich abbiegen, sind wir in zehn Minuten bei den Kameraden und können uns wärmen.«
Thomas und Lars sehen sich an.
»Okay«, sagt Thomas. »Ditschig wird durchdrehen, aber wir können sagen, wir hätten uns verlaufen. Ich glaube kaum, er hat den Mut, uns nochmal loszuschicken.«
» Ein bisschen durchsichtig ist das schon«, meint Lars.
» Mir ist kalt«, sagt Thomas.
Alle drei bibbern und stampfen mit den Füßen. Vor ihren Mündern schweben weiße Wolken.
»Okay«, sagt Volker. »Also durch den Wald.«
Im selben Moment hält Ditschigs Munga neben ihnen. Im Scheinwerferlicht kneifen sie geblendet die Augen zusammen.
» Na, Männer? Wie sieht’s aus? Wie ich sehe, haben Sie schon vier Kilometer geschafft.« Ditschig grinst.
» Leck mich«, sagt Lars.
» Später, Unteroffizier. Zuerst marschieren Sie weiter.«
» Jawoll, Herr Feldwebel.«
Ditschig nickt zufrieden, springt in den Wagen, schnippst mit den Fingern und der Fahrer tritt aufs Gas.
» Er will mich kriechen sehen«, sagt Thomas. »Er will, dass ich ihn anflehe, er möge mich mit dem Auto mitnehmen.«
» Kann gut sein«, sagt Volker. »Vielleicht hofft er auch, er findet uns an der Elbe beim Eisfischen.«
Sie alle lachen.
»Durch den Wald?«, fragt Lars.
Sie schlagen sich in die Büsche und erreichen nach einer Viertelstunde das Lager. Von Ditschig ist nichts zu sehen. Der Kleine sucht vermutlich den Hauptweg nach ihnen ab.
Sie schieben sich an das kleine Feuer, doch die Wärme hilft kaum. Es wird immer kälter und ist kaum noch erträglich.
»In die Zelte!«, dröhnt ein Befehl. »Und die Stiefel werden ausgezogen. Auch die andern Klamotten. In den Schlafsäcken wird es euch warm werden. Und immer zwei in einem Zelt. Schön zusammenrücken, Männer. Das wärmt! Denkt an die Schafsherde. Die frieren auch nicht.«
Minuten später liegt Thomas neben Lars im sogenannten Mickymauszelt, groß genug für zwei Männer
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