Die Mitternachtsrose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
will.”
“Nein, nicht mich, sondern die gute Freundin der Kronprinzessin!”
“Ach, papperlapapp!”, widersprach ihre Freundin energisch. “Wenn er tatsächlich so ein toller Mann ist, wie du sagst, wird er sich für das interessieren, was in dir steckt. Ob jemand ein gutes Herz hat, das ist es doch, was wirklich zählt.” Sie lächelte. “Namen sind doch nur Schall und Rauch.”
Prüfend betrachtete Noelle sich noch einmal im Spiegel, dann seufzte sie. Sie sah ganz passabel aus, wenn auch ungewohnt. Normalerweise fühlte sie sich in Hosen wesentlich wohler, doch für den heutigen Abend schien ihr ein wenig mehr weibliche Eleganz angemessen zu sein. Und sie musste zugeben, dass ihr das Kleid wirklich sehr gut stand.
Das ärmellose Oberteil war eng geschnitten und betonte ihre weiblichen Formen, der glockenförmige Rock endete knapp oberhalb der Knie. Dazu trug sie einen schwarzen Strickbolero und die hochhackigen schwarzen Lederstiefel, die sie einmal aus einer Laune heraus gekauft und seitdem nicht getragen hatte.
Sie sah aus wie eine ganz neue und viel femininere Noelle.
Warum gibst du dir eigentlich solche Mühe, fragte sie sich unwillkürlich. Dieses Treffen dient doch lediglich dazu, einige Dinge klarzustellen, schon vergessen?
Trotzdem wollte sie so schön wie möglich sein, wenn sie Henrik gegenübertrat. Wer konnte schon sagen, ob es nicht das letzte Mal war, dass sie sich begegneten?
Allein der Gedanke, ihn nie mehr wiederzusehen, trübte ihre Stimmung. Sie wusste selbst nicht genau, woran das lag, immerhin kannte sie Henrik ja kaum. Er sah gut aus, keine Frage, und sie fühlte sich zu ihm hingezogen. Aber reichte das, um einfach so ihre Prinzipien über Bord zu werfen? Keine Männergeschichten, das hatte sie sich nach der Katastrophe mit Felix fest vorgenommen. Und an die wahre Liebe glaubte sie seitdem ohnehin nicht mehr. Eigentlich sollte sie ihrem Exfreund sogar dankbar sein. Er hatte ihr die Augen dafür geöffnet, wie Männer wirklich waren. Sie interessierten sich nur so lange für eine Frau, wie sie ihren Nutzen daraus ziehen konnten. Und konnte sie mit Sicherheit sagen, dass Henrik nicht genauso war?
Als sie die Glocke der Riddarholmskirche sechs Mal schlagen hörte, erschrak sie. “So spät schon? Wenn ich mich nicht beeile, komme ich zu spät zu meiner Verabredung!”
Eva ergriff ihre Hände und drückte sie. “Na dann los, schnapp dir deinen Traumprinzen!”
“Oh nein, du denkst doch nicht etwa …” Energisch schüttelte Noelle den Kopf. “Es geht mir einzig und allein darum, dass wir nicht unsere Jobs verlieren. Davon abgesehen interessiert mich Henrik Albrektson nicht im Geringsten!”
Lächelnd zuckte Eva mit den Schultern. “Ganz wie du meinst.”
Noelle nahm die Handtasche von der kleinen Kommode im Korridor, steckte ihre Schlüssel ein und verließ gemeinsam mit ihrer Freundin die Wohnung. Unten auf der Straße verabschiedete sie sich von Eva, die ihr noch einmal viel Glück wünschte.
Dann ging sie los.
Die klare, kühle Abendluft tat ihr gut, sogar ihre Nervosität ließ ein wenig nach. Die Altstadt Gamla Stan erstreckte sich über die Inseln Stadsholmen, Riddarholmen und Helgeandsholmen, die über zahlreiche Brücken untereinander und mit dem Festland verbunden waren.
Nicht umsonst wurde Stockholm auch das “Venedig des Nordens” genannt.
Noelles Weg führte sie durch schmale Gassen, vorbei an mittelalterlichen Bürgerhäusern in warmen Gelb- und Orangetönen. An nicht wenigen Fassaden flatterten entweder die schwedische Flagge oder Girlanden mit blaugelben Wimpeln im Wind, und unter den Fenstern hingen Pflanzkästen, in denen farbenfrohe Blumen blühten.
Auf den kleinen kopfsteingepflasterten Plätzen, die sie überquerte, saßen Einheimische und Touristen einträchtig nebeneinander an den Tischen der Cafés und Restaurants und genossen die milden Temperaturen. Es gab kleine Boutiquen und Kunstgalerien.
Solange sie ging, war Noelle ganz ruhig. Erst als sie das kleine Restaurant erreichte, das in einer Seitenstraße nahe des Stortorget – dem historischen Zentrum Stockholms – lag, ergriff die nervöse Unruhe wieder von ihr Besitz.
Unschlüssig blieb sie vor der Tür des ockerfarbenen Gebäudes mit dem Treppengiebel stehen. Jetzt, wo sie Henrik gleich gegenübertreten würde, bekam sie es mit der Angst zu tun. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, wie haarsträubend ihre Geschichte klingen musste. Wenn er ihr nun nicht glaubte? Wenn er annahm, dass sie
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