Die Mitternachtsrose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
Bank besaß er einigen Einfluss.
Die Verbindung mit Matilda wird uns allen zugutekommen, hatte seine Mutter gesagt. Womit sie recht hatte. Matilda zu heiraten würde gleich mehrere seiner Probleme auf einen Schlag lösen – und vielleicht auch seine Schuldgefühle ein wenig lindern.
Als Henrik gerade in den Festsaal zurückkehren wollte, erblickte er plötzlich
sie
, die schöne Unbekannte. Sie stand einfach nur da neben dem prachtvollen Herkulesbrunnen, dessen Wasserfontäne im Mondschein glitzerte. Die Augen geschlossen, das Gesicht zum Himmel gereckt, sah sie aus, als wollte sie im Sternenglanz baden. Ihr dunkelblaues Haar fiel ihr in weichen Wellen auf den Rücken und schimmerte geheimnisvoll im Mondlicht.
Hastig eilte er die letzten Stufen zum Schlossgarten hinunter, wobei er die Unbekannte nicht eine Sekunde aus den Augen ließ. Obwohl er wusste, dass er lieber Vernunft annehmen und auf der Stelle kehrtmachen sollte, tat er es nicht. Während er sich ihr näherte, wagte er kaum, einen Laut von sich zu geben, aus Sorge, sie könnte sich wieder in Luft auflösen. Endlich stand er direkt hinter ihr.
“Ich hoffte, dass wir uns wiedersehen würden”, sagte er leise.
Noch bevor sie sich umdrehte, wusste Noelle, dass
er
es war, der hinter ihr stand. Eine Stimme wie seine gab es kein zweites Mal. Samtweich und sinnlich. Sofort rieselte ein Schauer durch ihren Körper.
Reiß dich zusammen, befahl sie sich. Du darfst dich nicht von seinem guten Aussehen und den vollendeten Manieren blenden lassen. Er ist ein Mann, und schon allein darum kann er dich nur in Schwierigkeiten bringen.
Sich in einen Gast der königlichen Familie zu verlieben, wäre außerdem der größte Fehler, den sie überhaupt machen konnte.
Eigentlich war sie nur in den Schlosspark gegangen, um vor ihrer Heimfahrt noch einmal in Ruhe darüber nachzudenken, was sie unternehmen könnte, um den Schal zurückzubekommen. Bis gerade eben hatte sie noch an den Entwürfen für die Verlobungstorte gearbeitet, denn das erste Treffen mit der Auftraggeberin war bereits für morgen angesetzt. Doch wenn es ihr nicht gelang, den Schal für Eva zurückzubekommen, waren all ihre Mühen womöglich umsonst. Noch war die Gefahr, dass sein Fehlen entdeckt wurde, zwar nicht akut, weil die nächste Anprobe erst in ein paar Tagen stattfand, doch sie musste sich ihr weiteres Vorgehen gut überlegen.
Und nun dies!
Noelle zwang sich zu einem Lächeln. “Henrik …” Sie tat so, als müsse sie kurz überlegen, bevor ihr sein Name wieder einfiel. Insgeheim bezweifelte sie, dass es ihr je gelingen würde, ihn zu vergessen, selbst in einhundert Jahren. Doch sie wollte auf keinen Fall, dass er seine verheerende Wirkung auf sie bemerkte. “Henrik Albrektson, nicht wahr?”
“Nur Henrik, bitte”, erwiderte er ebenfalls lächelnd. “Ich hatte gehofft, Sie heute Abend auf dem Bankett wiederzusehen.”
Gut, dachte Noelle erleichtert. Offenbar hielt er sie noch immer für einen Gast, und genau so sollte es auch bleiben. Wenn er herausfand, dass sie in Wahrheit nur eine kleine Angestellte bei Hofe war, konnte das für Eva und sie große Probleme bedeuten.
Im nächsten Moment fiel ihr auf, dass sie für ein festliches Bankett alles andere als passend gekleidet war. “Nein, ich … Ich wollte nur noch ein bisschen frische Luft schnappen, bevor ich zu Bett gehe.”
Um ihre flatternden Nerven zu beruhigen, atmete Noelle tief durch. Seine Gegenwart machte sie furchtbar nervös, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Hoffentlich merkte man ihr das nicht zu deutlich an.
“Wenn ich mich nicht täusche, dann haben Sie etwas, das mir gehört”, fuhr sie fort. Alles, was sie von ihm wollte, war der Schal. Natürlich, was auch sonst?
Aber machte sie sich da nicht selbst etwas vor? So sehr sie sich auch dagegen wehrte, die Signale ihres Körpers ließen kaum einen Zweifel zu. Sie fühlte sich ungemein zu diesem vollkommen Fremden hingezogen.
“Wenn Sie Ihren Schal meinen, ich habe ihn hier bei mir”, erwiderte er lächelnd und klopfte mit der flachen Hand auf die rechte Tasche seines Jacketts.
Bei seinem Lächeln stockte Noelles Atem. Dieser Mann konnte ihr ernsthaft gefährlich werden. Sie tat besser daran, ihn nicht zu nah an sich herankommen zu lassen.
“Dann geben Sie ihn mir”, bat sie heiser. “Bitte!”
Er schüttelte den Kopf. “Tut mir leid, aber das kann ich nicht. Jedenfalls nicht ohne Gegenleistung.”
“Aber der Schal gehört Ihnen nicht!”,
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