Die Mitternachtsrose
Leben in Astbury verändert hat « , sagte Mrs Thomas und hob die Augenbrauen. » Lord Donald hat letztes Jahr eine Amerikanerin geheiratet, und seitdem tanzen wir nach Lady Violets Pfeife. «
» Und wie « , murmelte Tilly.
» Allerdings hat die neue Lady auch ihre guten Seiten « , erklärte Mrs Thomas. » Ich hab einen neuen Herd bekommen … « , sie deutete stolz darauf, » … und neue Töpfe und Pfannen. Sie fand die alten unhygienisch, obwohl ich ihr gesagt hab, dass von meinem Essen noch keiner gestorben ist. Aber ich muss zugeben, dass ich froh bin über die neuen. «
» Mögen Sie Lady Violet? « , erkundigte ich mich.
» Sie ist ganz in Ordnung « , antwortete Mrs Thomas. » Auch wenn sie uns hier unten nicht wahrnimmt. Weil sie keine Ahnung hatte vom englischen Essen oder was in einem Haus wie diesem auf den Tisch kommt, musste ich es ihr erklären. Jetzt überlässt sie das mir. Was oben in ihren Körper reingeht, interessiert sie nicht sonderlich. Unten ist ihr wichtiger! «
Die Bediensteten kicherten.
» So was Eitles ist mir noch nie untergekommen « , klagte Tilly. » Ich hab mit der Zofe von einer Lady geredet, die bei uns zu Besuch war. Die sagt, dass die Yankees alle so sind. Lady Astbury hat sich eine ganze Wand mit Schränken bauen lassen, und die platzen aus den Nähten vor Gewändern. «
» Sie ist sehr hübsch. Die schönste Frau, die ich kenne « , mischte sich die Spülerin ein.
» Stimmt « , pflichtete Mrs Thomas ihr bei, » aber wären wir das nicht alle, wenn wir uns so viel Zeit für unser Äußeres nehmen könnten und das Geld hätten, uns mit flotten Kleidern herauszuputzen? «
» Ist sie nett? « , fragte ich.
» Geht so « , antwortete Tilly. » Wenn ich ihr abends beim Frisieren und Ausziehen helfe, redet sie die ganze Zeit bloß von ihren Kleidern und ihrem Schmuck. Nach mir hat sie sich noch nie erkundigt. «
» Wir hätten es schlechter treffen können « , erklärte Mrs Thomas. » Wenigstens ist sie kein solcher Drachen wie der in Dower House, und immerhin tummeln sich im Haus jetzt junge Leute, nicht mehr nur Witwen in Schwarz. Mit Lady Violet ist Astbury zu neuem Leben erwacht, und dafür müssen wir dankbar sein. «
Von da an konnte ich mich nicht mehr über einen Mangel an Gesellschaft beklagen. Du und ich, wir wurden ständig zum Tee in die Cottages der Bediensteten oder zu den Volksfesten eingeladen, die alle paar Monate auf dem Astbury Green stattfanden. Ich besuchte immer nur sie und nicht umgekehrt, mit der Begründung, dass ich mit meinem Pferdewagen mobiler sei und mein Cottage so weit vom Schuss liege. Trotzdem lebte ich in ständiger Angst davor, dass jemand unangemeldet bei mir auftauchte, wenn Donald da war.
Allmählich sprach es sich im Ort herum, dass ich wieder in Astbury war, und man redete über die Kräuter, die ich verwendete, um die Arthritis von Mrs Thomas, den Husten von Tilly oder die Gicht des Butlers zu lindern. Die Ableger aus dem Küchengarten, die ich bei mir eingesetzt hatte, gediehen prächtig. Donald baute mir ein kleines Gewächshaus, in dem meine Kräuter vor dem Winterfrost geschützt wären, und im Moor fand ich weitere einheimische Heilpflanzen, die ich meiner wachsenden Sammlung hinzufügte.
In jenem Sommer fuhr ich oft mit dir im Pferdewagen übers Moor zum Häuschen einer Ortsbewohnerin, deren Kind unter Fieber litt. Die einfachen Leute hatten keinerlei gesundheitliche Versorgung, und der Arzt verlangte ein kleines Vermögen für einen Hausbesuch, den sich die meisten nicht leisten konnten. Ich hingegen forderte keinen Lohn; mir reichte das glückliche Gesicht einer erleichterten Mutter.
Außerdem stellte ich fest, dass meine Erfahrung als Krankenschwester und meine ayurvedischen Kenntnisse sich gut ergänzten, denn ich erkannte schnell, wo meine Heilkräuter nichts ausrichteten. Wenn ich bei einem Patienten nicht weiterwusste, riet ich zu einem Besuch im örtlichen Krankenhaus.
Im Juli traf ich bei einer Taufe im Ort den Arzt wieder, den ich seit damals, als er zu spät zu Selinas Geburt gekommen war, nicht mehr gesehen hatte.
» Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet, Miss Anahita « , sagte D r. Trefusis mit einer leichten Verneigung. » Sie nehmen mir Arbeit ab, und die Leute im Ort profitieren von Ihrem Wissen. Haben Sie daran gedacht, wieder in Ihrem Beruf zu arbeiten? Eine Bezirkskrankenschwester wäre ein Segen für alle. «
» Ja, aber ich muss mich um meinen Sohn kümmern, und eine richtige Anstellung würde,
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