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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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Sie sah mich vielsagend an. » Willkommen, Anni. Ich hoffe, dass du dich hier bei uns im Palast wohlfühlen wirst. «
    » Danke « , antwortete ich. » Bestimmt. «
    Ich muss zugeben, dass ich mich an jenem Abend kaum auf das konzentrieren konnte, was sie sagte, weil ich fasziniert war von ihrem Gesicht, von ihren mit Kajalstift umrandeten Augen und ihren Lippen, die sie aus einem kleinen Pigmentgefäß mit einem Pinsel rot schminkte. Der Duft ihres französischen Lieblingsparfüms lag in der Luft, als sie sich gleichzeitig schminkte und Hof hielt, wobei sie, je nachdem, mit wem sie sprach, gekonnt zwischen Hindi, Englisch und Bengali wechselte.
    » Komm « , sagte Indira. » Ich zeig dir die anderen Räume von Ma. « Sie zog mich ins Bad, in dem eine Wanne im westlichen Stil stand– wir Mädchen ließen uns auf einer rauen Holzbank aus großen Silbergefäßen mit Wasser übergießen–, und in ihr ganz in Weiß und Gold gehaltenes Schlafzimmer mit hoher Decke und einem riesigen Bett auf einem Marmorsockel in der Mitte. Vor dem Raum erstreckten sich eine Veranda und ein schattiger Hof mit Palisanderholzbäumen, Hibiskus und Jasmin.
    Mein Sohn, falls es jemals eine Märchenkönigin gegeben hat, eine, die jung, schön und sanftmütig war und in einem prächtigen Palast lebte, so war das Ayesha, die Maharani von Koch Bihar. Sie schlug mich genauso in ihren Bann wie alle anderen.
    Als die Maharani später atemberaubend schön in einem mit Smaragden bestickten Sari bereit war, ihre Gäste zu begrüßen, kehrten Indira und ich zu unserem Zimmer zurück, wo Miss Reid uns ins Bett scheuchte.
    » Findest du nicht auch, dass Ma die schönste Frau der Welt ist? « , fragte Indira mich gähnend.
    » Ja « , antwortete ich ohne das geringste Zögern.
    » Und weißt du, was das Beste ist? Dass meine Eltern sich so sehr lieben. Mein Vater vergöttert sie. Und er ist der attraktivste Mann, den ich kenne. Ich kann’s gar nicht erwarten, ihn dir vorzustellen. «
    Ihre Hand tastete in der Dunkelheit nach der meinen. » Gute Nacht, Anni « , sagte sie mit einem zufriedenen Seufzen. » Ich freue mich so, dass du da bist. «

10
    Als ich eines Morgens einen Brief von meiner Mutter erhielt, wurde mir bewusst, dass ich schon fast zwei Monate in Koch Bihar war, obwohl ich anfangs nur einige Wochen bei Indira hätte bleiben sollen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich völlig in meinem neuen Leben aufgegangen war und jedes Zeitgefühl verloren hatte. In dem Brief fragte meine Mutter mich, wann ich nach Hause kommen würde. Die Erkenntnis, dass mein Leben in Koch Bihar nur vorübergehender Natur war, traf mich wie ein Blitz.
    Indira und ich waren inzwischen wie siamesische Zwillinge, und sie bemerkte meine traurige Miene sofort.
    » Was ist los? «
    Ich hob den Blick von dem Brief. » Meine Mutter fragt, wann ich zurückkomme. «
    » Wohin? « Indira wirkte verwirrt.
    » Nach Jaipur natürlich. «
    » Aber du kannst nicht weggehen « , erklärte sie. » Du lebst jetzt hier bei mir. Wir sollten deine Mutter zu uns einladen. «
    » Ich bezweifle, dass sie sich über eine so weite Reise freuen würde. «
    » Ich rede mit Ma. Sie weiß bestimmt Rat. «
    Mir schlug das Herz bis zum Hals, als Indira zu ihrer Mutter lief. Was, wenn die Maharani so beschäftigt war, dass sie meine Anwesenheit gar nicht bemerkt hatte? Was– mich schauderte–, wenn ich für immer in die zenana in Jaipur zurückmusste?
    Als Indira eine halbe Stunde später wiederkam, nickte sie zufrieden. » Keine Sorge, Anni. Ma findet schon eine Lösung. Das tut sie immer. «
    An jenem Abend versammelten wir uns wie üblich im Boudoir der Maharani, wo sie mich zu sich winkte.
    » Indira sagt, du fehlst deiner Mutter. Sie möchte dich sehen. «
    » Ja, das schreibt sie in ihrem Brief « , bestätigte ich nervös.
    » Das kann ich gut verstehen. Keine Mutter möchte lange von ihrem Kind getrennt sein. Also müssen wir sie einladen. «
    » Danke, Hoheit. « Ich verbeugte mich voller Ehrfurcht. Am liebsten hätte ich ihr schönes Gesicht mit Dankesküssen bedeckt.
    » Ich schicke deiner Mutter gleich einen Brief. Da wäre noch etwas anderes, was ich mit ihr besprechen möchte. «
    Mein Herz machte vor Erleichterung einen Sprung. Sie würde mich also vielleicht doch nicht zurückschicken.
    Einige Tage später betrat die Maharani das Zimmer, das Indira und ich uns teilten.
    » Komm mit, Anni « , sagte sie und deutete auf die Verandatür.
    » Kann ich auch mitkommen, Ma? «,

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