Die Mitternachtsrose
und die Hohepriesterin mit ihrem französischen Parfüm und all den westlichen Herrlichkeiten würde meine Mutter verwirren, das war mir klar.
Was, wenn meine Mutter zu der Überzeugung gelangte, dass ich hier nicht auf geziemende Hinduart erzogen wurde? Dann konnte ich es ihr nicht verdenken, wenn sie mich nach Jaipur zurückbrachte.
Natürlich war meine Sorge unbegründet. Als Indira und ich das Boudoir mit meiner Mutter betraten, erhob sich Ayesha und bahnte sich einen Weg durch eine Gruppe von Frauen, um meine Mutter zu begrüßen. Sie war bekleidet mit einem goldglänzenden Sari; um den Hals trug sie eine Brillantkette, und in einem riesigen Rubinnasenstecker spiegelte sich das Licht von dem Baccarat-Kronleuchter über ihr.
» Es ist mir eine Ehre, Sie kennenlernen zu dürfen, Hoheit « , sagte meine Mutter voller Ehrfurcht. Die beiden Frauen hätten nicht unterschiedlicher sein können. Die eine eine strahlende Schönheit, reich und unabhängig, die andere vom harten Leben seit dem Tod meines Vaters gezeichnet.
» Nein « , erwiderte die Maharani mit sanfter Stimme, » ich empfinde es als Ehre, Sie kennenzulernen. Sie sind Mutter einer ganz besonderen Tochter, und wir können uns glücklich schätzen, sie bei uns zu haben. Kommen Sie mit in meinen Gebetsraum. Dort können wir Brahma für unsere Kinder danken. «
Mit diesen Worten führte sie meine Mutter zwischen den erstaunten Gästen hindurch in den Nachbarraum und schloss die Tür hinter ihnen.
Als die beiden Frauen fünfzehn Minuten später wiederkehrten, plauderten sie bereits wie alte Freundinnen. Ich dankte den Göttern dafür, dass die Maharani es verstanden hatte, meiner Mutter die Nervosität zu nehmen.
Meine Mutter schwärmte vom guten Geschmack ihrer neuen Freundin, der sich in Möbeln und Kleidung äußerte, sowie von ihrem Wissen über Philosophie, Dichtkunst und die Welt im Allgemeinen. Sie unterhielten sich über ayurvedische Medizin, und die Maharani lauschte fasziniert, als sie von der Sehergabe meiner Mutter erfuhr.
» Hast du für sie in die Zukunft geschaut, Maaji? « , fragte ich sie neugierig, als sie eines Nachmittags aus den Gemächern der Maharani kam.
» Wie du sehr gut weißt, Anni, geht das nur die Maharani und mich etwas an « , antwortete meine Mutter.
Am Ende der ersten Woche war sie entspannt genug, um unter den Blicken der männlichen Palastbewohner einen Spaziergang durch die Gärten zu machen, auch wenn sie sich nach wie vor weigerte, den ghoonghat von ihrem Gesicht zu entfernen. Doch ansonsten war sie genauso fasziniert vom Palast von Koch Bihar und seinen Bewohnern wie ich.
Am Tag bevor meine Mutter nach Hause zurückkehren wollte, rief die Maharani sie zu einem Gespräch unter vier Augen in ihre Gemächer. Ich wartete mit Indira nervös vor der Tür.
» Was, wenn meine Mutter möchte, dass ich sie begleite? Ich glaube, das würde ich nicht überleben! «, flüsterte ich voller Angst.
Indira hielt meine Hand. » Sie wird nicht von dir verlangen, dass du mit ihr zurückgehst, Anni, das versprech ich dir. «
Natürlich behielt Indira recht. Meine Mutter trat mit einem Lächeln auf den Lippen aus den Gemächern der Maharani und ging mit mir in mein Zimmer, um sich allein mit mir zu unterhalten.
» Die Maharani hat mich gefragt, ob ich bereit wäre, dich ihrer Familie dauerhaft auszuleihen. Sie hat mir außerdem angeboten, dich gemeinsam mit Indira unterrichten zu lassen, was ganz im Sinne deines Vaters gewesen wäre. «
» Ja, Maaji. «
» Weil sie verstehen kann, dass du mir fehlen wirst, schlägt sie vor, dass ich den Teil des Jahres bei dir verbringe, den die Familie sich im Palast aufhält. Also, meine Tochter: Möchtest du hierbleiben, während ich nach Jaipur zurückkehre? «
» O Maaji, ich… « Tränen traten mir in die Augen. » Ich glaube schon. Auch wenn ich lange von dir getrennt sein und dich schrecklich vermissen werde. Aber ich weiß, dass Vater sehr glücklich darüber wäre, wenn ich meinen Unterricht fortsetzen könnte. Und das ist in der zenana in Jaipur nicht möglich. «
» Hier stehen dir viel mehr Möglichkeiten offen, das sehe ich auch so. Du warst immer schon etwas Besonderes, meine pyari . « Sie berührte lächelnd meine Wange. » Schreibst du mir jede Woche? «
» Natürlich, Maaji. Wenn du möchtest, jeden Tag! «
» Einmal die Woche reicht, Liebes. Und in vier Monaten, nach dem Monsun, komme ich wieder her. Wir sehen uns bald, das verspreche ich dir. «
» Du wirst mir
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