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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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fehlen. «
    » Und du mir. « Sie breitete die Arme aus. » Vergiss nicht: Ich bin in Gedanken immer bei dir. «
    » Das weiß ich, Maaji « , sagte ich und drückte sie.
    Sie machte ein so trauriges Gesicht, dass ich sagte: » Vielleicht sollte ich doch mit dir nach Jaipur zurückfahren. «
    » Nein, Anni. « Sie hob den Blick gen Himmel. » Ich weiß, dass es dir bestimmt ist hierzubleiben. «
    Und so kehrte meine Mutter reich beschenkt von der Maharani nach Jaipur zurück. Obwohl sich mein Herzenswunsch erfüllt hatte und ich den Palast von Koch Bihar nun als mein Zuhause betrachten konnte, wurde ich ein Gefühl des Unbehagens darüber nicht los, dass meine Mutter trotz ihrer Sehergabe und ihrer Klugheit so geschickt überredet worden war, auf ihre geliebte Tochter zu verzichten.
    Als in jenem Jahr der Monsun nahte und die heiße Erde unter unseren schwieligen, an den harten Boden gewöhnten Fußsohlen brannte wie tausend Bienenstiche, zog das Gefolge des Maharadschas wie alle anderen Privilegierten Indiens in die Hügel, um die frische kühle Luft dort zu atmen. Wir reisten nach Darjeeling, einer Berggegend in über zweitausend Meter Höhe, die berühmt ist für ihre Teeplantagen.
    In jenem Sommer begann meine lebenslange Liebe zu Darjeeling; den Anblick des Himalajagebirges empfand ich als erhebend. Auch die Briten hatten längst gelernt, sich nach Darjeeling zurückzuziehen, und ihm ihren Stempel aufgedrückt. Ordentliche Reihen weißer Häuser, benannt nach Orten in England, die sich deutlich von den meisten unserer chaotischen indischen Dörfer unterschieden, säumten die Hügel. Ich träumte davon, einmal selbst das echte England zu besuchen.
    In Darjeeling lernte ich Indiras Geschwister kennen, die die Ferien vom englischen Internat dort verbrachten. Sie waren siebzehn, sechzehn und fünfzehn Jahre alt und verhätschelten Indira, aber weil diese so viel jünger war als sie, konnte ich verstehen, dass sie sich wie ein Einzelkind vorkam. Minty, ihre fünfzehnjährige Schwester, wirkte auf mich sehr erwachsen und kultiviert. Ich lauschte fasziniert, wenn sie sich beim Abendessen über das Leben in England unterhielten, lernte auf den makellos gestutzten Rasenflächen Krocket spielen und ließ mir von Indiras mittlerem Bruder Abivanth allerlei Kartentricks beibringen. Besonders Raj, Indiras gut aussehender, charmanter ältester Bruder, machte so großen Eindruck auf mich, dass ich in seiner Gegenwart fast völlig verstummte.
    Das Haus, das wir hier bewohnten, war im Vergleich zum Palast von Koch Bihar winzig, was bedeutete, dass wir mehr wie eine Familie lebten. Da es sich hoch oben in den Hügeln befand und nur mit Pferden oder Rikschas zu erreichen war, herrschte Ruhe und Frieden. Oft gesellte sich der attraktive Maharadscha, den ich in Koch Bihar nur selten gesehen hatte, weil er dort den Verpflichtungen seines Standes nachkommen musste, bei einem einfachen Picknick im Garten zum Rest der Familie. In der lockeren Umgebung von Darjeeling erlebte ich das, was ich mir für meine eigene Zukunft wünschte: die dauerhafte wahre Liebe zwischen Mann und Frau. Ich erkannte sie in den Blicken, die sie manchmal beim Essen wechselten, darin, wie sie einander anlächelten oder er den Arm um die Taille der Maharani legte. Das war die echte Zuneigung, die ich von der Ehe meiner Eltern kannte.
    Sie herrschten gemeinsam über ein Reich und schöpften ihre Kraft aus der Bewunderung und dem Vertrauen, die sie füreinander empfanden.
    In jenem Sommer standen Indira und ich immer schon früh auf, um den steilen Pfad zum Tiger Hill hochzureiten und den Sonnenaufgang über dem Mount Everest zu beobachten. Außerdem besuchten wir gern den Markt im Zentrum von Darjeeling, wo Verkäufer aus Tibet und Bhutan mit riesigen Pelzhüten ihre Waren feilboten. Ich war rundum glücklich und fühlte mich ganz als Teil von Indiras Familie.
    Aber obwohl ich das harte Leben von früher kannte, war ich noch zu jung, um zu wissen, dass sich die Dinge schnell ändern können und Glück nicht unbedingt von Dauer ist.
    Die weniger vermögenden Inder, die weit unterhalb unseres Bergparadieses ausharrten, mussten in jener Saison manches ertragen. Stürme fegten über die Ebenen und bedeckten tagtäglich alles mit einer dünnen Schmutzschicht. Selbst durch den kleinsten Spalt in den Fensterläden drang der feine Staub. Der Monsunregen ließ die Flüsse anschwellen, und die rote Brühe, die sich aus ihrem natürlichen Bett ergoss, riss alles mit

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