Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
Vom Netzwerk:
zurückzufinden. Ich wartete, welchen Plan Indira ausheckte, die geschworen hatte, mich nicht zu vergessen.
    Doch das Jahr 1912 brach an, und es vergingen Wochen ohne ein Wort von ihr, obwohl ich meinem Keramiktiger immer wieder tief in die Augen blickte und Indira anflehte, an mich zu denken.
    Ende Januar, als ich allmählich die Hoffnung aufgab, rief Jameeras Mutter mich zu sich.
    Meine Mutter wusch mein Gesicht mit einem rauen Tuch und kämmte mir die Haare. » Die Maharani will mit dir reden, da musst du ordentlich aussehen. «
    Beim Betreten ihres Bereichs verneigte ich mich wie üblich mit einem ehrfurchtsvollen pranaam.
    » Bitte setz dich, Kind, und du auch, Tira « , wies die Maharani uns an.
    Wir nahmen im Schneidersitz auf dem Boden vor ihr Platz.
    » Ich habe heute Morgen einen Brief von Ayesha, der Maharani von Koch Bihar, erhalten. Darin teilt sie mir mit, dass ihre Tochter Indira sich beim Krönungstreffen mit dir, Anahita, angefreundet hat. Stimmt das? «
    Ich überlegte, wie ich ihre Frage beantworten solle, damit sie meine Freundschaft mit Indira nicht als Affront gegen ihre eigene Tochter auffasste.
    Und beschloss, die Wahrheit zu sagen.
    » Ja, Hoheit, wir haben uns angefreundet. «
    » Offenbar so sehr, dass Prinzessin Indira sich zu essen weigert, solange du nicht zu ihr darfst. Ihr scheint es sehr schlecht zu gehen. «
    Ob die Maharani das glaubte oder nicht, konnte ich nicht beurteilen.
    » Ist sie sehr krank? « , erkundigte ich mich besorgt.
    » Jedenfalls so krank, dass ihre Mutter mich persönlich bittet, dich sofort nach Koch Bihar zu Prinzessin Indira zu schicken. «
    Ich wandte mich meiner Mutter zu, deren Miene ausdruckslos blieb.
    » Was hältst du davon, Kind? « , fragte die Maharani.
    Ich bemühte mich sehr, ernst und betroffen dreinzuschauen.
    » Natürlich würde ich mich geehrt fühlen, Prinzessin Indira zu helfen, wenn sie mich braucht « , antwortete ich, den Kopf so tief geneigt, dass keine der Frauen sehen konnte, wie sehr meine Augen vor Freude leuchteten.
    » Und du, Tira? « , erkundigte sich die Maharani. » Bist du bereit, deine Tochter so weit reisen zu lassen? «
    Meine Mutter, die natürlich wusste, was ich empfand, nickte. » Wie Anahita fühle ich mich geehrt. «
    » Ich habe bereits mit Prinzessin Jameera gesprochen. Sie ist ebenfalls der Meinung, dass Anahita fahren soll « , erklärte die Maharani.
    Fast hätte ich dankbar zum Himmel geblickt. Es wunderte mich nicht, dass Jameera nicht um mich gekämpft hatte, denn sie brauchte eine fügsamere Gefährtin als mich.
    » Wenn wir uns einig sind, arrangiert die Maharani von Koch Bihar alles für deine Reise zu ihr. «
    » Danke, Hoheit « , sagte ich und neigte noch einmal das Haupt. » Wann werde ich aufbrechen? «
    » Sobald alles geregelt ist. «
    Meine Mutter und ich entfernten uns rückwärts aus dem Raum. Sobald wir außer Sichtweite waren, hob sie mein Kinn an und sah mir in die Augen.
    » Willst du das? « , fragte sie.
    » Mehr als alles auf der Welt, Maaji. «

9
    Und damit, mein liebes Kind, begann tatsächlich ein neues Kapitel in meinem Leben. Jemand war geschickt worden, um mich von Jaipur nach Koch Bihar zu begleiten. Als ich aus dem Zug stieg, der auf einer eingleisigen Strecke nach Koch Bihar im äußersten Nordosten Indiens gefahren war, sah ich die Silhouette des Himalajagebirges. Ein Träger nahm mir den abgewetzten Koffer ab, der einmal meinem Vater gehört hatte, und ich sah, dass eine tonga, ein zweirädriger Pferdewagen, mich abholte.
    Vor meiner Abreise aus Jaipur hatte ich so viel wie möglich über Indiras ferne Provinz gelesen. Jemand, der Indien nicht kennt, dürfte sich nur schwer vorstellen können, wie viele unterschiedliche Klimazonen und Landschaften dieses Land umfasst. Indien steckt voll dramatischer Gegensätze; in jedem Teil gibt es eine Unzahl von Kulturen, Sprachen und Völkern.
    Als der Fahrer mir in den Wagen half, klebten mir die Kleider am Leib. Hier war es anders als in der trockenen Hitze von Jaipur schwülwarm.
    Während unserer Fahrt durch die Stadt sah ich, dass die einfachen Häuser aus Bambus gebaut und mit Stroh gedeckt waren und auf den Dächern Hibiskus blühte. Zum Schutz vor den Überschwemmungen der Monsunzeit standen sie auf Pfählen. Hier vergeudete niemand Geld für massive Steinbauten wie in Jaipur, die zwei- oder dreihundert Jahre überdauerten. In Koch Bihar waren sich die Menschen nur zu bewusst, dass sie schon bald Opfer einer Flut oder eines Erdbebens

Weitere Kostenlose Bücher