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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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sich.
    Außerdem fürchteten die Mütter in dieser Jahreszeit wegen unterschiedlichster Krankheiten um ihre Kinder. Auf dem Friedhof von Darjeeling stellte ich zu meinem Erstaunen fest, dass auch viele britische Sprösslinge gestorben waren. Jedes Jahr forderten Typhus, Malaria und Gelbfieber zahlreiche Opfer unter der Bevölkerung. In jenem Sommer war es in allen Teilen des Landes besonders schlimm.
    Eines Nachts Ende August wurde ich von merkwürdigen Träumen heimgesucht und wachte schwitzend und mit einem schrecklichen Gefühl der Angst auf, das nicht weichen wollte. Eine Woche später rief die Maharani mich zu sich. Ich hatte meiner Mutter nicht geglaubt, als sie mir sagte, ich habe ihre Sehergabe geerbt. Doch auf dem Weg zur Maharani wusste ich bereits, was diese mir mitteilen würde.
    Sie winkte mich mit einem Brief in der Hand zu sich und bedeutete mir, dass ich mich neben sie auf die Chaiselongue setzen solle.
    » Meine pyari, leider habe ich sehr schlechte Nachrichten für dich. «
    » Wie ist meine Mutter gestorben? «
    Dies war das einzige Mal, dass ich die Maharani sprachlos erlebte.
    » Ich… Hat jemand es dir gesagt? Ich habe den Brief erst heute Morgen erhalten. «
    » Nein, ich habe es einfach… gewusst « , antwortete ich, gegen die Tränen ankämpfend.
    » Es heißt, dass wir es spüren, wenn ein geliebter Mensch von uns geht « , erklärte die Maharani, als sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte. » Und du scheinst in dieser Hinsicht besonders empfindsam zu sein, Anni. Leider täuschst du dich nicht. Deine Mutter war bei deiner Tante und deinem Onkel in den Hügeln, um der Hitze in Jaipur zu entgehen. Dort war der Monsunregen so stark, dass es nachts zu einem Erdrutsch kam. Keiner im Dorf hat überlebt. Es tut mir wirklich sehr leid, Anni. Soweit ich weiß, hast du nicht nur deine Mutter, sondern auch deine Tante, deinen Onkel und fünf Cousins verloren. «
    Ich saß neben ihr, ihre weiche Hand tröstend auf meiner kalten, und dachte an meine Mutter, ihre Schwester, ihren Schwager und meine Cousins, manche von ihnen dem Kleinkindesalter noch nicht entwachsen. Es fiel mir schwer, mich damit abzufinden, dass sie nicht mehr auf dieser Erde weilten.
    » Wenn wir etwas für dich tun können, Anni, dann bitte sag es. «
    Ich schüttelte stumm den Kopf.
    » Es ist mehr als eine Woche her. « Auch der Maharani traten Tränen in die Augen. » Sie suchen immer noch nach den Toten. Wenn sie gefunden sind, musst du natürlich zur Beisetzung nach Jaipur. «
    » Ja « , antwortete ich, obwohl wir beide wussten, dass sie keine Leichen finden würden. Meine arme Mutter würde bis in alle Ewigkeit in der von der Sonne gebackenen roten Erde liegen.
    » Bestimmt willst du in den Tempel zum Beten. Ich habe da etwas für dich. « Sie reichte mir eine weiße Tunika aus weichster Seide.
    » Ich finde es tröstlich, dass wir Inder Weiß, nicht Schwarz als Farbe der Trauer tragen. In solchen Zeiten gibt es genug Dunkles. Und, liebste Anni, mach dir um deine Zukunft keine Sorgen. Ich habe dich von deiner Familie weggeholt und trage auch weiter die Verantwortung für dich. Verstehst du? «
    Obwohl ich in dem Augenblick überhaupt nichts begriff, nickte ich.
    » Vergiss nicht: Selbst wenn wir sie nicht sehen können, sind die Menschen, die wir lieben, uns nahe « , erklärte sie mit leiser Stimme.
    Ich stand auf, unfähig, in ihren Worten Trost zu finden.
    Sobald ich die weiße Tunika angezogen hatte, wurde ich in einer Rikscha zu dem kleinen Hindutempel in der Stadt gefahren. Dort brachte ich ganz allein die traditionellen puja -Opfer und Gebete dar, die den Toten auf den Weg helfen sollen. Anschließend saß ich mit gesenktem Kopf vor den Götterstatuen. Obwohl ich glauben und spüren wollte, dass meine Mutter noch bei mir war, begann ich, als die düstere Realität mir dämmerte, auch an mich selbst zu denken. Ich war jetzt eine Waise ohne Geld und Besitz, gänzlich abhängig von der Großmut der Herrscherfamilie. Mit ziemlicher Sicherheit würde ich niemals heiraten– ohne Familie oder Mitgift war ich für keinen Mann attraktiv. Und obwohl ich weiter Unterricht erhalten würde, konnte ich höchstwahrscheinlich nicht selbst über meine Zukunft bestimmen.
    Unter die Tränen, die ich an jenem Tag um meine Familie vergoss, mischten sich zugegebenermaßen auch welche über den Verlust der Zukunft, die sich mein Vater für mich gewünscht hatte und in der ich in der Lage gewesen wäre, meinen wachen Verstand, den er

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