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Die Mitternachtsrose

Die Mitternachtsrose

Titel: Die Mitternachtsrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucinda Riley
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Heilerin zu werden oder die Tränke, die in dem ledergebundenen Notizbuch meiner Mutter beschrieben waren, auszuprobieren, fühlte ich mich verpflichtet, die Rezepturen zu lernen. Nachdem Zeena die Eintragungen gelesen hatte und ihre knotigen Finger mit den langen gelben Nägeln darübergeglitten waren, behandelte sie mich mit neuer Achtung.
    » Du entstammst einer mächtigen Linie von baidh. Hier drin stehen Rezepte für Tränke, die nur wenige kennen. « Sie blätterte in dem Buch. » Schau, da sind sogar welche, die einen Menschen töten können! « , flüsterte sie.
    Ich fragte sie, ob sie mit einem Mittel je einem Menschen geschadet habe.
    Sie überlegte. » Ich bin Heilerin, Anahita. Die Götter sagen mir, welchen Trank ich verwenden soll. «
    Es gab nur sehr wenige Dinge, die ich Indira vorenthielt; meine Stunden mit Zeena gehörten dazu. Und die vergrabenen Rubine. Mein Instinkt riet mir, diese Geheimnisse für mich zu behalten.

11
    Ein Jahr später
    Indira kam in unser Zimmer gerannt, warf sich aufs Bett und schlug mit den Fäusten auf das Kissen ein. » Ich gehe nicht! Nein, das mach ich nicht! « Ich beobachtete bestürzt, wie meine dreizehnjährige Freundin heulte und kreischte wie ein Kleinkind. » Ich reiß aus! «
    In den vergangenen Monaten hatte ich zahlreiche solcher Wutausbrüche miterlebt, wenn Indira ihren Willen nicht bekam. Ich wartete, bis sie sich beruhigte hatte, und fragte mit sanfter Stimme: » Was ist los, Indy? Was ist passiert? «
    » Meine Eltern wollen, dass ich meine Geschwister ins Internat nach England begleite. Ich hasse England! Da ist es düster und langweilig, und ich bin ständig erkältet. «
    Ich sah Indira entsetzt an. Was würde aus mir werden, wenn sie ins Internat musste?, dachte ich egoistisch. » Sie können dich doch nicht zwingen, oder? «
    » Mein Vater will, dass ich gehe, und sein Wunsch ist jedermanns Befehl. Ich schwör dir, in England sterbe ich! «
    Ich selbst wünschte mir nichts sehnlicher, als England zu besuchen, die Heimat unserer Kolonialherren. Ich malte mir aus, die Narzissen aus Wordsworth’ Gedicht zu sehen, das düstere Hochmoor in Yorkshire, wo die Brontës ihre wunderbaren Geschichten geschrieben hatten, und natürlich London, die Hauptstadt der Welt. Doch ich wusste, dass ich das meiner verzweifelten Freundin nicht sagen konnte.
    » Wann müsstest du aufbrechen? «
    » Im August, damit ich zu Beginn des Schuljahres im September dort bin. Ich hab Ma gesagt, dass das mit dem Unterricht schiefgehen wird, weil ich einfach nicht stillsitzen kann– in diesem kalten, dunklen Land verkümmere ich wie eine Ringelblume im Frost. «
    » Du wirst mir schrecklich fehlen. «
    » Nein, Anni, du sollst mich begleiten. «
    » Ich? «
    » Natürlich! Sie wären nicht so grausam, mich allein zu schicken. Du kommst mit, es sei denn, mir gelingt es, sie zu überreden, dass wir hierbleiben können. Aber Ma liebt England und die dortige Saison, was bedeutet, dass sie uns nicht unterstützt. Was wird dann aus Pretty? « , jammerte Indira. » Sie geht ohne mich ein, das weiß ich! «
    Ich versuchte, genauso niedergeschlagen auszusehen wie vor dem Zeitpunkt, als Indira mir gesagt hatte, dass ich sie begleiten würde. » Ist es dort wirklich so schlimm? « , fragte ich. » Deine Eltern und deine Geschwister scheinen England zu lieben. Sie sagen, London sei eine wunderschöne Stadt mit elektrischem Licht, wo die Frauen frei auf den Straßen herumgehen und sogar ihre Knöchel zeigen können! «
    » Wir wären nicht in der Nähe von London, sondern kämen in die grässliche Schule am kalten englischen Meer zu meiner Schwester«, erwiderte Indira verzweifelt. »Ach Anni, was sollen wir nur machen? «
    » Immerhin haben wir einander « , sagte ich, stand auf und setzte mich neben sie aufs Bett, um ihre Hände in die meinen zu nehmen. » Bitte wein nicht mehr, Indy. Solange wir zusammen sind, ist alles andere doch egal, oder? «
    Indira zuckte mit gesenktem Blick die Achseln. Trotz des Geschreis wusste sie, dass sie ihren Willen diesmal nicht durchsetzen konnte.
    » Ich pass auf dich auf, das verspreche ich dir. «
    In unseren letzten drei Monaten in Indien schmollte Indira die ganze Zeit, während meine Erregung von Tag zu Tag wuchs. In der heißen Zeit zogen wir wieder in die Sommerresidenz der Familie in Darjeeling.
    » Das kühlere Klima hier bereitet dich auf England vor « , erklärte Indiras Vater ihr eines lauen Abends, als die Familie nach dem Essen auf der Veranda

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