Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
Vom Netzwerk:
nutzte. »Ja, vielleicht haben Sie recht«, sagte er. »Ich wollte mir gerade etwas zu trinken holen. Hätten Sie wohl Lust, mir Gesellschaft zu leisten?«
    Sie gingen in den Salon, wo er mit geschickten Griffen das Feuer anfachte und Brandy aus einer Karaffe in zwei Gläser schenkte. »Ich fürchte, ich tauge nicht als Gastgeber. Haben Sie zu Abend gegessen?«
    »Ich habe keinen Hunger«, erwiderte Sukie.
    Er lachte erleichtert. »Ich auch nicht. Ich hoffe, es ist kein Kummer, der Sie vom Essen abhält.«
    »Sie wollten mir von Ihrem Kummer erzählen«, entgegnete sie.
    Er hob die Brauen. »Wollte ich das? Dann habe ich mich anders besonnen. Es wäre nicht recht, Sie mit diesen geschäftlichen Dingen zu belasten. Weshalb sollten Sie sich damit plagen?«
    »Aber ich helfe Ihnen doch im Geschäft!«, protestierte Sukie, froh, dass er die Frau mit keinem Wort erwähnte. »Ich würde gern noch viel mehr tun. Wenn ich es dürfte, würde ich Ihr Geschäft betrachten, als wäre es mein eigenes.«
    Seine freundliche Miene wurde auf einen Schlag hart. »Finden Sie es richtig, dass Frauen Geschäfte führen wie Männer?«, fragte er. »Glauben Sie, Frauen sind von ihrer Natur her dafür bestimmt?«
    »So habe ich es doch nicht gemeint«, entgegnete sie. »Ich wollte sagen, ich könnte alles tun, was eine Geschäftsfrau täte – eine Frau, deren Mann ein Geschäft führt, meine ich …« Als ihr bewusst wurde, was sie gesagt hatte, schoss ihr die Hitze in die Wangen.
    »Sie sind sehr nett, Sukie«, wiederholte er, als hätte sie nichts Anstößiges gesagt. »Aber Sie tun genug für mich. Wollen Sie sich wirklich obendrein anhören, was mich so zur Weißglut bringt, dass ich mit bloßen Händen jemanden erwürgen könnte?«
    Heftig nickte sie. Ihr Blick fiel auf die Hände, die in seinem Schoß lagen. Sie waren groß und schwer, aber Sukie wusste, dass sie mit allem, was sie berührten, unendlich sacht umgingen, und dass er der Letzte war, der jemanden erwürgt hätte, so sehr er sich auch ereiferte.
    »Sie geben mir keinen Kredit«, brach es aus ihm heraus. »Die Herren Bankiers auf ihren hohen Rössern, die von meiner Arbeit nichts verstehen, sie sagen, mir fehle der gute Name, der der Bank die Sicherheit verleihe! Verstehen Sie, wie sehr mich das verletzt, Sukie? Ich lebe in dieser Stadt seit neun Jahren, ich habe mir nie etwas zuschulden kommen lassen, und wer immer mit mir Geschäfte gemacht hat, der weiß, dass auf mein Wort Verlass ist. Mit welchem Recht behaupten diese Männer, die mich nicht einmal angehört haben, mein Name sei nicht gut genug!«
    »Mit keinem«, antwortete Sukie eilig. Nur ein Mann, der so arglos und erfüllt vom Glauben an das Gute war wie Victor, konnte eine solche Frage stellen. »Sie wollen unter sich bleiben«, versuchte sie ihm zu erklären. »Dass unsereins den Kopf und gar noch den Hals aus dem Sumpf recken könnte, das schmeckt ihnen nicht. Aber wozu brauchen Sie denn die Banken und ihren Kredit? Kommen Sie nicht ohne deren Wohlwollen bestens aus?« Sie verstand nichts von Buchhaltung, hatte in den paar Schuljahren, die ihr Vater ihr abverlangt hatte, gehörig geschlampt, aber um zu erkennen, dass das Hotel wie am Schnürchen lief, brauchte man keine Lektionen, sondern nur gesunden Menschenverstand.
    »Ich will Mr Weaver seine Hälfte abkaufen«, sagte Victor. »Ich will hier schalten und walten können, wie ich es für richtig halte.«
    Sukie hielt den Atem an. Wie seine Beziehungen zu Weaver aussahen, hatte sie nie recht begriffen, sondern einfach angenommen, er sei eine Art Geschäftsführer mit Gewinnbeteiligung. Jetzt aber begriff sie auf einen Schlag: Er, der einstige Laufbursche, der noch immer mit schwerem Akzent sprach und vergaß, auf welche Seite des Tellers das Messer gehörte, hatte wahrhaftig geglaubt, sich unter die Reichen und Schönen mischen zu können, die die Herrschaft in der Stadt wie einen Teekuchen unter sich aufteilten. Er hatte gehofft, er könne ein Hotelier werden wie Frederic Ternan vom Victoriana, ein vornehmer Mann, bei dem die Weste zum Rock passte und die Aussprache zum Schnupftuch in der Rocktasche. Eine Woge von Mitleid erfasste sie. Greif doch nicht nach den Sternen, brich dir nicht den Hals. Ist das, was wir haben, nicht genug?
    Sie sah ihn sonst so gut wie nie Alkohol anrühren, jetzt aber trank er in großen Schlucken von seinem Brandy. Als er das Glas abstellte, griff sie nach seiner Hand, die er ihr willenlos überließ. »Mr Weaver hat mir ein

Weitere Kostenlose Bücher