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Die Mondrose

Die Mondrose

Titel: Die Mondrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Helmin
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verlangte Mildred zu wissen.
    Daphne zog ihren Sohn zu sich. »Schon seit Mai.«
    »Und in all der Zeit hast du mir kein Wort davon gesagt?«
    »Hyperion …«, entfuhr es Daphne, ehe sie der Verräterin, die sie war, auf den Mund schlagen konnte.
    »Hyperion hat es dir verboten, ja? Sag nur der bösen Mildred nichts, hat er dir eingewispert. Er ist nicht nur viehisch, sondern obendrein feige, aber du mit deinem Herzen aus Butter kannst deinem feigen Vieh natürlich nichts abschlagen.«
    Es tat viel mehr weh als Schläge. Jedes der hässlichen Worte, die sie gegen Hyperion schleuderte, versetzte Daphne einen Hieb. Du kennst Hyperion nicht!, wollte sie Mildred entgegenrufen. Ja, er ist wie ich erfüllt von Angst, einen Menschen zu erzürnen, doch in seinem Herzen ist keine Faser, die feige ist. Er spricht nicht davon, aber ich weiß, was er getan hat, ich weiß es von Nell, von den Vernons, von jedem, der ihn kennt. Er hat seinen Vater erzürnt, weil er um jeden Preis Arzt werden wollte. Er ist in einen grausamen Krieg gezogen, weil ihm das Leid von Menschen keine Ruhe lässt. Er zögert nicht, ein nutzloses Mädchen aus Whitechapel zu heiraten, egal, was alle Welt von ihm denkt, und er ließe mich niemals im Stich. Für mich hat er mehr Heldenmut als Herkules.
    Es gab noch mehr, das sie Mildred hätte sagen können, endlose Einzelheiten, für die Hyperion Liebe und Hochachtung verdiente. Wie kannst du denn wissen, wie er ist, wenn er es selbst nicht weiß? Er gäbe dir ja in allem recht und beschimpft sich mit ärgeren Worten als du. Am meisten weh tat Daphne, dass sie ihren treuen, liebevollen Mann nicht verteidigte, sondern der Schwester erlaubte, Schmutz über ihn auszuschütten, während sie sich an ihrem Jungen festhielt und wimmerte, als wäre sie nicht älter als er.
    »Mir hat er versprochen, dich zu schonen«, setzte Mildred nach. »Er hat so geweint, als du bei Louis’ Geburt fast gestorben wärst, und ich Idiotin habe ihm geglaubt, während er insgeheim geplant hat, sich wie ein Hundsfott wieder auf dich zu stürzen.«
    Vor Schmerz und Übelkeit stöhnte Daphne auf.
    »Ich schicke nach dem Arzt«, sagte Mildred. »Gib mir das Kind.«
    Daphne umklammerte Louis und schüttelte den Kopf.
    »Du musst Ruhe haben. Ich sorge für ihn.«
    Das kannst du nicht, Milly-Milly. Ich weiß, du konntest alles, was ich nicht konnte, aber dieses eine, für meinen Jungen sorgen, kann nur ich.
    Ehe Mildred versuchen konnte, ihr das Kind zu entreißen, öffnete sich die Tür. Daphne wandte den Kopf und sah durch Tränenschleier ihren Mann. Wie so oft trug er keinen Hut, sein Haar hing wirr, sein Gesicht schien vor Sorge grau. Sie wollte zu ihm laufen, ihn in die Arme schließen, aber sie hatte keine Unze Kraft.
    »Verschwinde, ehe ich mich vergesse«, hörte sie Mildred sagen. Ihre Stimme war vor Verachtung kalt. »Wir beide reden später, derzeit ist das Leben meiner Schwester wichtiger als ein Feigling, der weder Scham noch Mitgefühl kennt.«
    Er ist kein Feigling, wollte sie rufen, aber sie sah nur stumm zu, wie ihr Mann sich von Mildred aus dem Zimmer schicken ließ. Dann war es mit ihrer Beherrschung vorbei. Sie ließ Louis los, reckte den Kopf aus dem Bett und übergab sich.

Kapitel 16
    Southsea bei Portsmouth, Januar 1864
    D er Winter war stürmisch, nass und schwer erträglich. Wochenlang hingen schwere Wolken über der Stadt, ohne Licht hindurchzulassen, Wind und Regen peitschten das Meer auf, und wer nicht gezwungen war, verließ sein Haus nicht.
    Hyperion blieb so oft wie möglich des Nachts im Spital. Er hatte sich eines der Krankenbetten in einen Abstellraum geschoben. Dort schlief er die paar Stunden, die ihn vorm Umfallen bewahrten. Wenn er aß, musste er innehalten und an seine Schuld denken, und jeder Bissen wurde ihm im Hals zum Klumpen. Die Kleider schlackerten ihm um die Glieder, und das verschaffte ihm eine gewisse Befriedigung, als ließe sich dadurch, dass er den Körper bestrafte, von der Schuld der Seele etwas abtragen.
    »Sie treiben Raubbau«, hatte Louise Vernon zu ihm gesagt, als er das Ehepaar nach Weihnachten besucht hatte. »Wen retten Sie eigentlich dadurch, dass Sie sich bis aufs Blut kasteien?«
    Mich selbst, hätte er sagen können, und wenn Gott es annimmt, meine Frau. Das wollte er. Arbeiten bis zum Zusammenbruch, Leben bewahren und darum beten, dass ihm im Austausch Daphnes Leben bewahrt blieb. Gab es nicht Männer, die sich zu Tode gearbeitet hatten? Könnte er an Daphnes Stelle

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