Die Mondrose
Großes tun würde, Stolz seiner Mutter und seines Vaters, der ihr ewig danken würde.
Hyperion dankte Daphne ewig, weil sie ihm den Sohn geboren hatte. Auf einmal wünschte Mildred, das Kind möge sich wieder losreißen und ihr entgegenstürmen, doch es blieb bei Daphne. »Ach«, machte diese. »Das ist wirklich nett, Milly …«
»Du hast gesagt, du würdest dich freuen.«
»Ja, gewiss doch, Milly, es ist nur …« Sie sprach nicht weiter, und doch hörte Mildred jedes ungesprochene Wort: Es ist nur so, dass ich inzwischen gelernt habe, wie schön es ohne dich ist.
»Vergiss es«, sagte Mildred. »Die Idee war wohl doch nicht gut, die Arbeit macht sich schließlich nicht von selbst.«
»Du sollst nicht so viel arbeiten, Milly. Du reibst dich für uns auf.«
Und wenn ich es nicht mehr täte, was sollte aus euch werden? »Überlass das mir, geh zum Strand und genieß die Sonne.«
»Und du willst wirklich nicht mitkommen?«
»Nein, das will ich nicht.«
Nach kurzem Zögern gingen die beiden zur Tür und traten hinaus ins goldene Licht. Mildred blieb am Fuß der Treppe stehen und war sicher, dass hinter einem Türpfosten Nell lauerte und Mühe hatte, nicht zu feixen. Schließlich drehte sie sich um und ging, um ihr Geld zu holen.
Sie ritt in die Stadt und kam erst kurz vor dem Abend wieder, aber sie kaufte kein Kleid. Sie besuchte den Markt in Portsea und kaufte ein Shetlandpony, eine braun und weiß gefleckte Stute mit seidiger Mähne, die fast bis zum Boden reichte. Sie gab noch das Geld, das für die nächste Woche gedacht war, aus und erwarb einen roten Sattel und ein Zaumzeug dazu. Das Tier sollte am nächsten Morgen gebracht werden. Ich werde nie ein Kind haben, aber ich habe Louis. Ich bin seine Tante, ich kann ihm geben, wozu seine schwachen Eltern nicht imstande sind.
Als sie nach Hause kam, glich die Halle einem Hühnerhaus. Sarah, Nell und Priscilla liefen wie aufgescheucht umher, das Kind hockte in einer Ecke und weinte, der Arzt aus Portsmouth verließ das Haus, und Max wurde geschickt, um Hyperion zu holen. Daphne hatte am Strand einen Schwächeanfall erlitten. Ein Paar aus Manchester, das auf dem Altenteil logierte, hatte sie samt dem verzweifelten Kind nach Hause geschafft. »Sie will ihren Jungen sehen«, sagte Nell zu Priscilla.
»Aber sie ist doch krank!«, rief Mildred und wollte sich Louis zuwenden, der herzzerreißend weinte.
»Sie will ihn sehen«, beschied sie Nell, und Priscilla trat vor den Kleinen und sagte ihm, er dürfe jetzt zu seiner Mutter. Auf der Stelle beruhigte er sich und schlang ihr die Ärmchen um den Hals. Mildred wollte ihr hinterhereilen, aber Nell hielt sie zurück. »Sie werden dort oben nicht gebraucht. Gehen Sie und kümmern sich um Ihr Geschäft, denn von uns will es keiner am Hals haben.«
»Meine Gäste sind versorgt«, fauchte Mildred. »Und ob meine Schwester mich braucht, entscheiden nicht Sie. Sie wissen nichts von uns, nichts, nichts, nichts.«
Nell versuchte zwar sie aufzuhalten, aber Mildred schüttelte sie ab, lief die Treppe hinauf und riss Daphnes Tür auf. In dem gewaltigen Bett wirkte Daphne verloren. Sie hielt den Jungen im Arm. Ihr Gesicht hatte die Farbe der Laken, und ihr Haar war zerzaust.
Liebe überwältigte Mildred. Diese schmächtige Frau hatte sie verraten, sie verriet sie gerade wieder. Während ihr Tränen die Wangen hinabströmten, sang sie mit zitternder Stimme:
»Lavendel ist blau, dilly dilly,
Lavendel ist grün.
Wenn ich erst Königin bin, dilly dilly,
Bist du mein König.«
Sie hatte ihr Lied gestohlen, das Lied, das Mildred und Daphne gehörte, hatte es entstellt und einem anderen geschenkt. Mildred wollte gehen und die Tür hinter sich ins Schloss werfen. Etwas in ihr spürte, dass ihr noch schlimmerer Verrat bevorstand, aber sie konnte nur tun, was sie immer getan hatte. Sie lief zu Daphne, warf sich vor dem Bett nieder und umarmte sie.
Daphne wollte aufhören zu weinen, sie wollte ihrem Kind ein fröhliches Gesicht bieten, aber die Tränen strömten einfach weiter. Was habe ich nur getan, o mein Gott, was habe ich getan? Louis krallte die winzigen Finger in ihre Arme und weinte mit. »Kleine Mutter«, brachte er unter Schluchzen hervor. Irgendwann hatten sie begonnen einander »kleine Mutter« und »kleiner Louis« zu nennen, aus keinem Grund, als weil sie sich so sehr liebhatten. Jetzt klangen die Koseworte, die der Kleine stammelte, wie Hilferufe.
Das Erlebnis am Strand musste entsetzlich für ihn gewesen sein.
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