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Die Mondscheinbaeckerin

Die Mondscheinbaeckerin

Titel: Die Mondscheinbaeckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Addison Allen
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jenem Abend im Bett lag, setzte er sich mit einem Stuhl auf die hintere Veranda und wartete, eine Taschenlampe in der einen, ein Kleeblatt, das ihm Glück bringen sollte, in der anderen Hand. Der Bocksmond stand am Himmel – die Zeit der Jungen, Liebestollen.
    Die Lichter von Mullaby gab es schon ewig, über sie kursierten unzählige Geschichten. Nach dem Feuer kam das Gerücht auf, dass sie die Geister von verstorbenen Angehörigen der Coffey-Familie seien, die im Tod nachts die Freiheit genossen, die sie im Leben nie gehabt hatten. Dieses Gerücht hielt sich, so dass die Bewohner von Mullaby die Lichter nach wie vor allen Fremden, die danach fragten, so erklärten.
    Als das Licht in jener Nacht aus dem Wald auftauchte, stand Vance auf und schaltete die Taschenlampe ein.
    Â»Geh dahin zurück, wo du herkommst«, rief er leise. »Ich weiß, was meine Tochter dir angetan hat. Aber Emily kriegst du nicht.«

NEUN
    A m späten Montagnachmittag ging Julia ziemlich benommen mit einem Packen Briefe von der Post nach Hause.
    An der Shelby Road zog sie noch einmal die Postkarte heraus.
    War das zu fassen?
    Die Karte stammte von Nancy, einer ihrer besten Freundinnen in Baltimore. Weil Julia sich in Mullaby kein Telefon leistete, schrieb Nancy ihr einmal im Monat, was sich in ihrem dortigen Freundeskreis tat – eine bunte Truppe junger Berufstätiger, die Cocktails schlürften und viel redeten, ohne Wesentliches zu sagen. Julia vermutete, dass sie alle in ihrer Highschool-Zeit beliebt gewesen waren, und es gefiel ihr, dass sie sie für eine der ihren hielten. Die Postkarte heute brachte Julia aus der Fassung. Darin schrieb Nancy – von der sie nicht einmal wusste, dass sie einen festen Partner hatte –, sie habe geheiratet. Außerdem sei ihr gemeinsamer Freund Devon nach Maine gezogen, und Thomas wolle eine neue Stelle in Chicago antreten. Nancy versprach Julia, ihr alle Einzelheiten mitzuteilen, sobald sie von ihren Flitterwochen in Griechenland zurück sei.
    Von ihren Flitterwochen.
    In Griechenland.
    Julia hatte nicht erwartet, dass in ihrer Abwesenheit alles gleich bleiben würde, aber auch nicht, dass sich die Dinge so drastisch verändern würden. Und innerhalb so kurzer Zeit. Sie hatte gehofft, zu mehr Gewohntem zurückkehren zu können. Wenn sie nun wieder nach Baltimore ging, waren kaum noch welche ihrer Freunde dort. Aber genau die Aussicht darauf hatte ihr in Mullaby Kraft gegeben.
    Sie versuchte, sich zu sammeln. Sie hatte ja noch ihren Traum von der Blue-Eyed Girl Bakery. Die Bäckerei war der Grund, warum sie das alles tat, warum sie sich für zwei Jahre in diese Hölle begeben hatte. Natürlich war sie sich immer des Risikos bewusst gewesen, dass sie sich ihren Freunden entfremden würde. Freundschaften ohne Altlasten waren fragil und Launen unterworfen, das wusste sie; denn es gab keine gemeinsame Vorgeschichte, die einen im Guten wie im Schlechten zusammenschweißte.
    Julia musste sich damit abfinden.
    Sie war schon über viel schlimmere Verluste hinweggekommen.
    Da hörte sie ein Platschen und sah vor Vance’ Haus Emily mit einem Eimer Seifenlauge und einem Schwamm, vor ihr ein großer alter Wagen, der sich standhaft weigerte, sauber zu werden.
    Julia schob die Karte in einen der Kataloge, die sie von der Post geholt hatte, und gesellte sich zu Emily. Sie hatte sie seit Samstag nicht mehr gesehen und fragte sich, ob das Gespräch zwischen ihr und ihrem Großvater inzwischen stattgefunden hatte.
    Â»Hübscher Wagen.«
    Emily hob den Blick. Ihre blonden Haare waren wie immer widerspenstig, zur Hälfte in einem Pferdeschwanz gebändigt, die andere Hälfte um ihr Gesicht hängend.
    Â»Der gehört Opa Vance. Er überlässt ihn mir. Sein Mechaniker holt ihn morgen früh zur Inspektion ab, aber ich hab ihn erst mal zum Waschen aus der Garage rausgeschoben.«
    Â»Ich wusste gar nicht, dass Vance den nach wie vor hat«, sagte Julia, trat an den Wagen und beugte sich herunter, um durch eines der schmutzigen Fenster zu schauen. »Der gehörte seiner Frau, stimmt’s?«
    Â»Ja.«
    Â»Hast du mit deinem Großvater geredet?«
    Â»Ja.« Emily schob sich mit dem Arm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich hatte keine Ahnung, dass es so werden würde, aber meine Mom wusste es. Bestimmt ist sie deswegen nie mehr nach Mullaby gefahren und hat mir nichts darüber erzählt.

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