Die Mondscheinbaeckerin
betrachte die Dinge gern aus dieser Perspektive. Unten weià ich, wie alles ist. Ich erkenne gern das Potenzial dessen, was sich jenseits der Endlosschleife befindet, von der ich gerade gesprochen habe.«
Emily war ihm so nahe, dass sie ihn riechen konnte, einen Hauch Eau de Cologne, und sie sah die SchweiÃperlen, die sich in der Kuhle an seinem Hals bildeten. Sein Blick wanderte zu ihren Lippen. Plötzlich überkam sie Sehnsucht, ein ihr bislang unbekanntes Gefühl der Erwartung.
Doch der Moment verging, und er nahm den Arm von der Rückenlehne ihres Sitzes.
Nach einer weiteren Umdrehung blieb das Riesenrad stehen, und der Helfer löste die Sicherheitsstange. Sie stiegen schweigend aus.
»Tut mir leid, ich muss gehen«, teilte er ihr mit.
Sie hatte immer noch dieses merkwürdige Gefühl, irgendwie aufgedreht und prickelnd. »Okay.«
Doch er ging nicht. »Mein Dad wartet um die Ecke auf mich«, erklärte er. »Ich will dir eine Begegnung mit ihm ersparen.«
»Okay.«
Er rührte sich nach wie vor nicht von der Stelle. »AuÃerdem wirdâs bald dunkel.«
»Und du willst dich in meiner Gegenwart nicht in einen Werwolf verwandeln«, sagte sie. »Verstehe.«
Er strich sich die von der feuchten Luft gekräuselten dunklen Haare zurück. »Nein, das glaube ich nicht.«
»Dann erklärâs mir. Erklär mir diese merkwürdigen und wunderbaren Dinge.«
Er schmunzelte. »Wird gemacht. Das nächste Mal.« Er wandte sich zum Gehen.
»Warte!«, rief sie ihm nach, und er blieb stehen. »Ich muss dich noch was fragen.«
»Was?«
Sie beschloss, offen zu sein. »Machst du mich verantwortlich für das, was meine Mutter getan hat?«
»Natürlich nicht.«
»Aber dein Vater tut es.«
Er zögerte. »Für ihn kann ich nicht sprechen.«
»Mein GroÃvater sagt, dass meine Mom wütend war, weil die Coffeys sie nicht in ihren Kreis lieÃen, und sie deshalb so reagiert hat.«
»So heiÃt es«, bestätigte er.
Als sie die Haare hinter die Ohren schob, folgte sein Blick ihrer Bewegung. »Du sollst nur wissen, dass ich nicht ⦠sauer bin.«
»Wie bitte?«
»Weil deine Familie mich nicht mag. Ich kann verstehen, warum. Ich bin ihr deswegen nicht böse.«
»Ach, Emily«, stöhnte er.
»Was?«
»Du machst es mir sehr schwer.«
»Was? Das Gehen?«
»Das auch. Bis nächstes Mal?«
Emily nickte. Sie freute sich schon darauf. Was würde er tun und sagen? Sie war von ihm fasziniert, konnte sich nicht dagegen wehren. Emily wollte hierherpassen, und er gab ihr das Gefühl, dass sie das tat.
»Nächstes Mal«, wiederholte sie, als er sich entfernte.
Als Emily Julia wie besprochen am Musikpavillon traf, fiel ihr auf, dass ihrer beider Stimmung sich verändert hatte. Sie besorgten ein Grillsandwich und eingelegtes Gemüse für Opa Vance und machten sich ziemlich schweigsam auf den Heimweg.
Julia verabschiedete sich geistesabwesend vor Opa Vanceâ Haus. Emily blickte ihr nach. Irgendetwas beschäftigte Julia, das war deutlich zu sehen.
Emily klopfte an die Wand neben der Falttür zu Opa Vanceâ Zimmer. »Opa Vance, ich bin wieder da.«
Als er die Tür öffnete, erhaschte sie zum ersten Mal einen Blick in sein Zimmer, das früher offenbar einmal der Wohnraum gewesen war. Die Vorhänge waren zugezogen, um die Hitze drauÃen zu halten, und die Sonne, die durch den rostfarbenen Stoff drang, tauchte das Zimmer in gedämpftes Licht. Der Raum wirkte irgendwie stickig, doch tatsächlich stieg Emily die Ahnung eines blumigen Parfüms in die Nase, als hätte gerade eine Frau das Zimmer verlassen.
In den Regalen an der hinteren Wand befanden sich zahlreiche Fotos von immer derselben Frau, einer hübschen Frau mit blonden Haaren und dem Lächeln von Emilys Mutter. Das musste ihre GroÃmutter Lily sein. Wo, fragte Emily sich, waren die Bilder von ihrer Mutter? Besaà er überhaupt welche?
Sie hielt das in Folie gewickelte Sandwich hoch. »Ich hab dir was vom Grillfest mitgebracht.«
»Prima! Das esse ich in der Küche. Leistest du mir Gesellschaft?« Er ging ihr voran und zuerst in den Waschraum. Emily hörte, wie er die Trocknertür auf- und wieder zumachte. Dann kehrte er zu ihr zurück. »Und, wie hat dir unser kleines Grillfest gefallen?«
Emily schmunzelte.
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