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Die Mondscheinbaeckerin

Die Mondscheinbaeckerin

Titel: Die Mondscheinbaeckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Addison Allen
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Entschuldige. Ich hab nur gerade über deine Haare nachgedacht.«
    Â»Du hast über meine Haare nachgedacht?«
    Â»Ja. Nein. Ich hab überlegt, ob du sie auch mal offen trägst.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich will sie mir wachsen lassen.«
    Â»Wie kurz waren sie denn vorher?«
    Â»Echt kurz. Meine Mom hat ihre kurz getragen, deswegen hab ich das auch gemacht. Seit ungefähr einem Jahr lass ich sie wachsen.«
    Â»Wieso willst du nicht mehr so sein wie sie?«
    Â»Ich will weiter so sein wie sie. Sie war ein wunderbarer Mensch«, erklärte Emily mit Nachdruck. »Es war nur sehr schwer, ihr gerecht zu werden.«
    So funktionierte das nicht. Sie mussten endlich diese Verlegenheit loswerden. »Lass uns einen Spaziergang machen«, schlug er vor und stand auf.
    Sie folgten barfuß der Wasserlinie und holten sich nasse Füße. Viel redeten sie nicht, aber das war okay. Nebeneinanderher zu schlendern, im gleichen Rhythmus, sich aneinander zu gewöhnen, fühlte sich gut an.
    Als sie die kleine Bucht erreichten, schaute Emily zu der Stelle hinüber, an der die Geburtstagsfeier seiner Schwester stattgefunden hatte. Heute saßen dort zwei ältere Paare auf Klappstühlen, abseits von den anderen Badegästen im Schatten. Win wusste, was Emily tun würde.
    Sie entfernte sich wortlos von ihm und ging zu dem Baum mit den Initialen ihrer Mutter und seines Onkels. Win begrüßte kurz die Paare, die Emily mit merkwürdigen Blicken beäugten, bevor er ihr folgte.
    In den vergangenen Monaten war ihr Leben von zahlreichen Veränderungen gekennzeichnet gewesen, die sich in ihrem kummervollen Ausdruck und ihrem Gefühl der Einsamkeit äußerten. Er konnte beides gut nachvollziehen, weil er wusste, dass es Dinge gab, die man anderen, denen vergleichbare Erfahrungen fehlten, nicht sagen konnte. Sie hätten es nicht verstanden.
    Â»Werden die Schüler der Mullaby High über meine Mom Bescheid wissen? Wie sie hier war?«, fragte Emily, ohne den Blick von dem Baum zu wenden.
    Â»Wenn ihre Eltern es ihnen sagen. Das Schlimmste hast du wahrscheinlich schon hinter dir: die Begegnung mit meinem Dad. Ich würde mir keine Gedanken über die Mullaby High machen. So schlimm ist die Schule nicht.« Um sie abzulenken, bat er sie: »Erzähl mir von deiner alten Schule. Fehlt sie dir? Die Website vermittelt den Eindruck, dass es dort sehr … anstrengend ist.« Das war noch milde ausgedrückt. Die Ziele der Roxley School for Girls waren so politisch korrekt, dass man beim Lesen der Informationstexte eine Gänsehaut bekam.
    Sie zuckte mit den Achseln. »Nach dem Tod meiner Mom habe ich Trost in der Schule gesucht, erfolglos, weil ich dort nur ihr Vermächtnis finden konnte. Die Leute da wollten, dass ich in ihre Fußstapfen trete, und das hab ich nicht geschafft. Hier geht es mir genau umgekehrt. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: ihrem Namen gerecht zu werden oder dagegen aufzubegehren.«
    Â»Hattest du Freunde dort?«
    Â»Nach dem Tod meiner Mutter haben die Panikattacken angefangen. Ich wollte nicht, dass andere sie mitbekommen, und habe mich zurückgezogen.«
    Ihm fiel ein, wie er sie das erste Mal auf der Bank im Ort gesehen hatte. Da ihm klar gewesen war, dass da etwas nicht stimmte, hatte er sie angesprochen. Und das hatte alles verändert. »War das bei unserer ersten Begegnung eine Panikattacke?«
    Sie nickte.
    Â»Was löst sie aus?«
    Â»Panik.«
    Er schmunzelte. »Das hatte ich mir fast schon gedacht.«
    Â»Ich bekomme sie, wenn ich mich der Situation nicht gewachsen fühle, wenn mir zu viel durch den Kopf geht. Warum interessiert dich das?«, fragte sie argwöhnisch.
    Â»Ich bin bloß neugierig.« Sie musterte ihn mit ihren leuchtend blauen Augen. »Wieso siehst du mich so an?«
    Â»Ich hab noch nie jemandem von meinen Panikattacken erzählt«, gestand sie. »Jetzt kennst du meine Schwäche.«
    Â»Das klingt, als dürftest du keine haben.« Er zupfte geistesabwesend Rinde vom Baumstamm. »Wir haben alle unsere Schwächen.«
    Â»Du auch?«
    Â»Und ob!«
    Sie legte ihre Hand auf die seine, damit er mit dem Pulen aufhörte. »Und die möchtest du mir nicht verraten?«
    Er holte tief Luft. »Das ist schwierig.«
    Â»Verstehe.« Sie wandte sich dem See zu. »Du willst sie mir nicht erklären.«
    Er lief ihr nach. »Nein, das ist es nicht.

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