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Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Die Mondspielerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Mondspielerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina George
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Machte sich selbst unglücklich.
    Madame Geneviève riss Laurine den Besen aus der Hand.
    In dem Moment rollte ein alter Renault den Hang zum Hafen herab.
    Geneviève wurde blass. Sie hielt sich am Besen fest.
    Aus dem Renault stieg ein Mann; hochgewachsen, sehnig. Jeans, die Ärmel des weißen Hemdes hochgekrempelt. Er musste schon in seiner Jugend schön gewesen sein, seine Schönheit hatte sich in Ausdrucksstärke, Männlichkeit und Intensität gewandelt.
    »Ist das nicht …?«, begann Laurine, ihre Augen weiteten sich.
    »Ist er. Geh in die Küche. Sofort«, befahl Madame Geneviève. Laurine gehorchte.
    »Was willst du hier?«, fragte Geneviève Ecollier dann den Mann, der auf sie zukam wie auf ein nervöses Tier: vorsichtig.
    »Mir ansehen, wo künftig meine Gäste landen werden«, sagte er mit einer Stimme so dunkel wie ein D-Dur-Akkord. »Es sieht so aus, als würde die Auberge bald wieder eröffnen?«
    »Gut, du hast es gesehen, kenavo. «
    »Genoveva … bitte.« Sein bittender Blick glitt von ihrem unbewegten Gesicht ab.
    Madame Geneviève drückte den Besen an sich und ging mit durchgedrücktem Rücken und erhobenem Haupt ins Ar Mor.
    »Genoveva«, rief Alain Geneviève Ecollier nach. Zärtlich. Flehend.
    Marianne zog sich von der Ecke des Hintereingangs zurück; sie hatte nicht spionieren wollen und beeilte sich nun, den Strauß Thymian aus dem Küchengarten zu Jeanremy zu bringen.
    »Hast du Laurine heute ein nettes Wort übergeben?«, fragte sie beiläufig. Jeanremy reichte Marianne einen Eimer Muscheln und bedeutete ihr, die Bärte von den meskl zu entfernen.
    »Ich hab ihr gesagt, dass sie schön ist.«
    »Hast du nicht, triñschin. «
    Jeanremy grummelte etwas Unverständliches, während er den Topf mit den bereits geputzten und in Muscadet, Butter und Schalotten köchelnden Miesmuscheln rüttelte.
    »Da war ein Mann. Kennst du ihn?«
    »Hmm«, knurrte Jeanremy. »Alain Poitier. Von drüben. Rozbras. Ihm gehört die Konkurrenz.« Er gab die Muscheln auf eine Platte, sortierte die nicht geöffneten heraus, schüttete den Kochsud durch ein Sieb in einen kleineren Topf und stäubte Mehl hinein.
    Marianne reichte Jeanremy den Safran, Sahne und Crème fraîche, womit er den Muschelsud einkochte. Sie sann darüber nach, was sie eben beobachtet hatte.
    Nichts ist so kalt wie ein Herz, das vorher brannte.
    Alain Poitier war nicht nur die Konkurrenz, dachte sie. Es war der Mann, der Genevièves Gesicht so geformt hatte, dass es nur nachts eine Regung zeigte, niemals vor Zeugen.
    Marianne fragte sich, ob sie selbst ein anderes Gesicht tragen würde, wenn sie es geschafft hätte, ihren eigenen Mann dazu zu bringen, sie zu lieben, zu ehren oder ihr auch nur eine einzige Blume zu schenken.

19
    E inige Wochen später. Während ihres frühmorgendlichen Spaziergangs am Meer rezitierte Marianne alle Synonyme für Grau, die sie inzwischen gelernt hatte. Traurig, hermelinfarben, Löcher im Lachen, unscheinbar, wurzelig. Die Bretonen hatten für das Grau von Himmel und Wasser Hunderte von Namen. Sie hatten ein Land, in dem man immer weiter und weiter gehen wollte und vergaß, wie spät es war; dann, wo das Auto stand, und schließlich vergaß man sein Leben und ging nie mehr zurück.
    Marianne konnte nicht genug davon bekommen, die Pfade des Finistère zu erkunden, durch die dichten Wälder und entlang der Strände zu wandern, durch wilde Blumenwiesen am Rand der roséfarbenen Klippen zu streunen.
    Die Straßen waren eng und kurvig und die Granithäuser alt und sturmerprobt, die Fenster waren meist nur Richtung Landseite ausgerichtet.
    Als sie knapp vor Kerdruc das Dörflein Kerambail passierte, sah sie einen Menhir aus einem sattgoldenen Weizenfeld ragen; die Halme bewegten sich um ihn wie Wellen im unruhigen Westwind. Marianne erinnerte sich, was ihr Paul über diese verzauberten, mannshohen Steine erzählt hatte: Zu Weihnachten wanderten die Menhire um Mitternacht zum Strand, um im Meer zu trinken. In ihren verlassenen Mulden lägen verborgene Schätze. Man musste schnell sein, sie zu heben, sonst wurde man sofort nach dem zwölften Schlag der Glocke unter dem Stein begraben.
    Als Marianne sich Kerdruc von Osten durch den Wald näherte, hörte sie den Schuss. Er hallte in ihren Ohren wider, und danach herrschte eine tödliche, gemeine Stille.

    Als er den kurzen, scharfen Knall aus der Küche hörte, wusste Emile Goichon, dass er wieder eine Hausdame verloren hatte.
    Er holte das letzte Streichholz aus der

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