Die Mondspielerin: Roman (German Edition)
sie zu sein. Auf ihre Seitensprünge, die für sie so natürlich und notwendig waren wie das Atmen. Er begann, sich Renée zu verzeihen.
Aber gab es diese andere Liebe wirklich, die ewige, goldene, tagtägliche? Toujours l’amour, so hießen Rotweine, von denen man nichts Besonderes erwarten durfte.
Verdammt, dachte der Maler. Sie fehlt mir, die Liebe. Geliebt werden. Ein Gesicht, das dich ansieht und lächelt, weil du da bist. Eine Hand, die deine im Schlaf sucht. Jemand, mit dem ich ganz bin. Jemand, dessen Gesicht ich als Letztes sehen möchte, wenn ich für immer einschlafe. Jemand, der mein Zuhause ist.
»Na gut«, sagte Yann nach einer Weile. Er setzte die Brille wieder auf.
Yann Gamé hatte Lust, etwas zu malen, was er noch nie gesehen hatte; er hatte Lust, das Gesicht einer Frau zu malen, die ihn liebte. Er vermochte sich nicht vorzustellen, wie diese Frau aussehen könnte, die etwas so Dämliches tat, wie sich in einen kurzsichtigen Maler zu verlieben.
Als er aufblickte, sah Pascale ihn unruhig und verwirrt an.
»Wer zum Teufel sind Sie denn?«, fragte sie Yann.
»Ich male Sie«, antwortete er und versuchte, seinen Schmerz über ihre Verwirrung hinter munteren Worten zu verbergen.
»Aber ja, mon cœur, Monsieur Gamé porträtiert dich«, ergänzte Emile; er war vom Einkaufen zurückgekommen, was ihn maßlos erschöpfte, seitdem Mr. Parkinson bei ihnen eingezogen war und sie jetzt zu viert mit Madame de Menz unter einem Dach lebten.
Pascale begann zu weinen. »Dauernd schreit Madame Bouvet mich an, weil ich alles falsch mache.«
Emile strich seiner Frau eine Strähne ihres Haars hinters Ohr. Sie hatte die siebzig überschritten, aber sah mit jedem Tag jünger aus, ihr Gesicht wie das eines Mädchens, ihre wasserfarbenen Augen klar; man sah diesen Augen nicht an, dass sie die Welt bisweilen anders sahen, als sie war. Und jetzt sahen sie zurück in die Vergangenheit, zu der sechsten Hausdame, die restlos mit Pascales Sinnesschwankungen überfordert gewesen war. Morgen würde Madame Roche kommen, die Nummer sieben; Emile hoffte, dass sie ein anderes Kaliber war.
»Magst du mich?«, fragte Pascale ihren Mann. Er setzte sich neben sie und griff nach ihren Händen.
Emile nickte. »Ich liebe dich.«
Pascale sah ihren Mann für einen Augenblick überrascht an.
»Oh! Weiß Papa das?«
Emile nickte wieder.
»Ich halte nichts von Frauen, die schreien«, stellte Pascale bestimmt fest und stemmte ihre Hand auf Emiles Knie, um sich abzustützen und aufzustehen.
Als sie in die Küche trat und die Körbe mit dem Einkauf sah, flog ihre Hand zu ihrem Kopf wie ein aufgeschreckter Vogel.
»Ich muss aufräumen!«, sagte sie zu den Männern.
Pascale griff nach dem Strohhut, der neben dem Kühlschrank hing. Ging zum Wasserhahn, hielt ihn darunter und begann, mit dem nassen Hut die Flecken von den Fensterscheiben zu wischen. Emile hinkte auf sie zu, legte ihr seine Hand auf ihren nackten Unterarm.
»Mon cœur«, flüsterte Emile, zu mehr hatte er nicht die Kraft.
Pascale drehte sich zu ihm um. »Ach ja«, sagte sie strahlend, »ich bin ja so dumm« und setzte sich den Hut auf, Wasser lief ihr links und rechts an den Schläfen und Wangen hinab. Dann nahm sie den Schwamm und rieb ihn über das Fensterglas, im selben Takt, wie sie summte. Die Ode an die Freude.
Yann sah zu Emile; der zuckte mit den Schultern und stimmte in Pascales Summen mit ein. Das Ehepaar begann langsam, durch die Küche zu tanzen.
Ja, es gab sie, diese tagtägliche Liebe, toujours l’amour, und sie nahm der Bitternis ihren Schmerz.
18
E s gab diesen Morgen nicht am nächsten Tag. Und auch nicht am übernächsten.
Seit elf Tagen erwachte Marianne kurz vor Sonnenaufgang und machte sich durch den nebligen Wald auf den Weg bis zum Meer. Mit jedem Tag wurde sie kräftiger, und die Lebensmüdigkeit fiel von ihr ab; die Sonne begann, ihre Haut zu bräunen, und das Meer, ihre Augen heller zu färben. Ihr Knie schmerzte nur noch selten.
Jeden Morgen ging sie mit nackten Füßen in die schaumigen Wellen hinein, doch der Drang, sich ihnen zu ergeben, wurde stets von einem ihr unerklärlichen Trotz davongespült.
Einmal war es das Pumpernickel, das sie Jeanremy unbedingt backen wollte, während sie ihre abendlichen Französischlektionen absolvierten. Ein andermal hatte sie ihm versprochen, ihn auf den Biomarkt nach Trégunc zu begleiten. Dann fand eines der wöchentlichen Mittwochskonzerte statt, das Laurine mit ihr besuchen wollte, als sie
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